Standbild: Kontext ohne Kontext

■ Freiheit im Zwielicht

(Kontext, Freiheit im Zwielicht, Mi., 28.2., 22.10 Uhr, ZDF) Am Tag des Wahlsieges der Swapo vergangenen November marschiert eine kleine Gruppe Menschen durch die Straßen Windhuks und trägt Schilder mit der Aufschrift: „Wie können unsere Folterer unsere Befreier sein?“ Mit dieser Einstellung beginnt der Film , mit dieser Frage endet er auch. Daß die international anerkannte Befreiungsbewegung Swapo eigene Leute als vermeintliche südafrikanische Spione folterte und teilweise auch tötete, wurde im vergangenen Sommer publik. Davon gewußt haben besonders die namibische Kirche und der Lutherische Weltbund in Genf schon viel früher. Warum sie schwiegen, ist eine Seite der Medaille die Wut und Ohnmacht der Opfer die andere. In mehreren Interviews mit führenden namibischen Kirchenführern wie Frederick, Witbooi und Kameta wird klar, daß die Kirche die Folterungen nicht publik machen wollte und konnte, um den Ausgang des Befreiungskampfes nicht zu gefährden, um die Swapo nicht zu desavouieren. Leuten wie Erika Beukes ist das egal. Die Gründerin des Elternkomitees, das schon Mitte der 80er Jahre Listen der Verschwundenen veröffentlichte - im Ausland aber nur bei rechten Organisationen wie der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) Gehör fand - haßt die Swapo.

Im Norden, wo 92 Prozent für Swapo stimmten, berichtet ein Swapo-Kämpfer vor seiner kleinen Hütte. Er war 16 Jahre lang auf der berüchtigten südafrikanischen Gefangeneninsel „Robben Island“. Folterungen seien Folge der Kriegssituation. Das sei bedauerlich, aber auch verständlich, denn der Feind Südafrika hätte viel Leid angerichtet und keine Mittel gescheut. Rückblenden in Schwarzweiß über die Grausamkeiten des südafrikanischen Besatzers, der fast 70 Jahre den Daumen auf den Wüstenstaat Namibia hielt, belegen dies eindrücklich. Pfarrer Thomas Ndwakalunga vertritt eine Haltung, die auch von der Swapo geteilt wird: „Ich will mich nicht erinnern. Ich will ein neues Namibia. Die schlimmen Dinge der Kriegssituation müssen wir vergeben und vergessen.“ Es ist unverständlich, daß die Swapo es bisher nicht schaffte, sich für ihre Taten zu entschuldigen und sich von einigen umstrittenen Figuren zu trennen. Das neue unabhängige Namibia hat wahrlich andere Sorgen. Kurz nach der Niederlage der Sandinisten und einem generellen Legitimitätsverlust von Befreiungsbewegungen verursacht der isolierte Blick auf das Folterthema Bauchschmerzen. Wieder einmal fehlt der Kontext-Reihe der Kontext. Oder hat das etwa System?

Andrea Seibel