Die „Japan basher“ haben Konjunktur Bush zitiert Kaifu nach San Francisco

Heute Krisengipfel des US-Präsidenten und des japanischen Premiers über Handelsstreitigkeiten / Nach dem verblassenden Feindbild UdSSR nunmehr Japan als Objekt / US-Liberale wollen ganze Wirtschaftspolitik ändern  ■  Aus Washington Rolf Paasch

„Frustriert und besorgt“ kehrten die amerikanischen Unterhändler in der letzten Woche nach der erfolglosen dritten Verhandlungsrunde über strukturelle Handelshindernisse aus Tokio nach Washington zurück. Woraufhin George Bush den japanischen Premier Toshiki Kaifu zu einem Blitzbesuch am heutigen Freitag nach Kalifornien „einlud“, um den festgefahrenen Verhandlungen einen neuen Anstoß zu geben.

Die Arroganz Bushs, den japanischen Premier eine Woche nach den dortigen Parlamentswahlen und mitten in seiner Kabinettsbildung einfach herbeizuzitieren, mag zwar bezeichnend sein für die mangelnde Sensibilität der USA im Umgang mit dem japanischen Gegenüber. Doch die Bush -Administration hat nur noch wenige Monate Zeit, um die Handelsgespräche bis zur selbst gesetzten „Deadline“ im Juni zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. So weiß denn auch Kaifu, daß er besser mit der Bush-Administration zu einer Einigung kommt, ehe der US-Kongreß im Wahljahr 1990 mit harten Gegenmaßnahmen auf die vermeintlich unfairen Handelspraktiken Japans reagieren wird. „Zum ersten Mal in den letzten beiden Dekaden“, sagt der frühere US -Handelsbeauftragte Alan A. Wolff, „finden wir auf beiden Seite der Handelsdebatte offene Feindseligkeiten.“ Kurz: Das Verhältnis USA-Japan war noch nie so prekär wie heute.

Ursache des Konflikts zwischen der im Westen niedergehenden Superpower und der im Osten aufsteigenden Weltmacht (da spricht der Europäer im US-Korrespondenten, d.Red.) ist das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber Japan. Trotz des Dollarverfalls verharrt es seit Jahren bei 50 Mrd. Dollar. Dies macht die Hälfte des gesamten US-Handelsbilanzdefizits aus und hat den Japanern in den 80er Jahren einen Handelsbilanzüberschuß von rund 400 Mrd. Dollar beschert. Auch die Argumente beider Seiten über die Ursachen dieses Ungleichgewichts haben sich kaum geändert. Die USA werfen den Japanern vor, mit strukturellen Barrieren und einer restriktiven Handelspolitik den Import amerikanischer Güter zu erschweren. Tokio fordert von den USA dagegen seit Jahren ernsthafte Bemühungen zur Verringerung des US -Haushaltsdefizits, eine Verbesserung der niedrigen Spar und Investitionsraten sowie eine Wirtschaftspolitik, die sich, wie die japanische, an langfristigeren Zielen orientiert.

Neu an diesem Konflikt sind allerdings die politischen Rahmenbedingungen in den USA. Nach dem Aufkauf weiterer „Kultursymbole“ wie einer Hollywood-Filmfabrik und des New Yorker Rockefeller Centers durch japanische Unternehmen haben in den USA in den letzten Monaten die antijapanischen Ressentiments erheblich zugenommen. Nach dem Verblassen des Feindbildes Sowjetunion und der immer offener zutage tretenden Unfähigkeit des politischen Systems, dem Haushaltsdefizit ernsthaft zu Leibe zu rücken, gewinnt das Lager der sogenannten „Japan basher“ immer mehr Zulauf. Diese Japan-Kritiker beschuldigen ihre innenpolitischen Gegner, die Mitglieder des sogenannten „Chrysanthemen -Clubs“, immer häufiger, im Sold von Beratungsfirmen zu stehen, die mit japanischen Geldern finanziert werden.

Schon heute ist abzusehen, daß ein demnächst in den USA veröffentlichtes Buch über die politische Rolle Japan -finanzierter Polit-Berater in und außerhalb der Bush -Administration in Washington wie eine Bombe einschlägt. Daß zu allem Überfluß auch noch der „Honda Accord“ die Chrylers und Fords 1989 als meistverkauftestes Auto in Amerika überholen mußte, hat dem Chrysanthemen-Club nicht gerade neue Mitglieder eingebracht.

Vor diesem Hintergrund steht die US-Handelsbeauftragte Carla Hill unter großem Druck, die vor einem Jahr zwischen Präsident Bush und dem damaligen Premier Uno vereinbarte „Structural Impediments Initiative“ (SII) mit einem sichtbaren Erfolg abzuschließen. Bis April hat sie von den Japanern ein „Grundsatzpapier“ über den konkreten Abbau von Handelsbeschränkungen bei den Supercomputern, im Satellitengeschäft und im Holzhandel verlangt. Falls Tokio die geforderten Änderungen nach der sogenannten „Supersection 301“ des Handels- und Wettbewerbsgesetzes von 1988 bis zum 16.Juni nicht eingeleitet hat, droht die Bush -Administration die Kontrolle über ihre Handelspolitik an den US-Kongreß zu verlieren. In dem Falle könnte der Kongreß bereits vorliegende Gesetzesentwürfe verabschieden, die protektionistische Gegenmaßnahmen ermöglichen.

So unterstützt der Senator, Multimillionär und Suppenkönig John Heintz ein Gesetz, das dem US-Präsidenten die Verhängung von Sanktionen gegen japanische Exporteure von Computerchips ermöglicht, um den Einnahmeausfall amerikanischer Chip-Produzenten auszugleichen. Senator Max Baucus, der in Montana wiedergewählt werden möchte, will die einheimische Holzindustrie gegen japanische Praktiken schützen, die seiner Rechnung nach dem US-Holzsektor jährliche Einnahmen von ein bis zwei Milliarden Dollar verwehren. Ein weiterer Gesetzentwurf schlägt die offizielle Registrierung aller Lobbyisten für amerikanische Tochterfirmen japanischer Unternehmen vor.

Doch nicht alle „Japan basher“ haben chauvinistische oder eigennützige Motive. Auch die Gegner der totalen Laissez -faire-Politik der Bush-Administration und Anhänger eines sogenannten „managed trade“ fordern eine Veränderung der US -Wirtschafts- und Handelspolitik. Nicht, um die Amerikanisierung der japanischen Volkswirtschaft durchzusetzen, sondern um eine Annäherung der amerikanischen Wirtschaftspolitik an den in Japan und Europa bereits praktizierten gesteuerten Kapitalismus zu bewirken.

Ob es dieser Gruppe linksliberaler Demokraten und Volkswirtschaftler allerdings bei der wachsenden Japan -Feindlichkeit in den USA gelingen wird, ihre Position von denjenigen abzugrenzen, denen es nur um die Kreation eines neuen Sündenbocks für die Versäumnisse amerikanischer Wirtschaftspolitik geht, ist eher zweifelhaft. Sollten sich Premier Kaifu und seine Unterhändler bei den SII-Gesprächen gegenüber dem Handelspartner USA nicht bald zu erheblichen Konzessionen bereiterklären, dann könnte der gegenwärtige Handelskonflikt zwischen Washington und Tokio im Sommer leicht zu einem Handelskrieg eskalieren.