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Prozeß gegen Frauenärzte vertagt

Theissen-Folgeprozeß begann in Koblenz / Gericht schickte Staatsanwälte für eine Woche zur Nacharbeit nach Hause / Verteidigung: Falsche Abrechnungen nicht zum Nachteil der Kassen  ■  Aus Koblenz Heide Platen

Der Vorsitzende Richter der ersten Großen Strafkammer des Oberlandesgerichtes in Koblenz, Günter Bayer, schickte gestern vormittag die Staatsanwaltschaft schlicht nach Hause. Am ersten Verhandlungstag gegen die Frauenärzte Atif und Marie-Louise Ergüven aus Neuwied beschied er, sie hätte ihre Schulaufgaben nicht ordentlich gemacht. Die Ärzte sind angeklagt, in ihrer Praxis von 1983 bis 1986 Krankenkassen um über 300.000 Mark betrogen zu haben. Die Ermittlungen gegen sie hatten schon vor denen gegen den Memminger Frauenarzt Theissen begonnen. Sie waren, wie dort, aufgrund von Denunziation zustande gekommen und richteten sich gegen illegale Abtreibungen.

Parallel zum Theissen-Prozeß hatten auch die Koblenzer Ermittlungsbehörden Fragebögen verschickt - hier über 2.000 Stück. In den Fragebögen waren dutzendweise die Intimsphäre der Frauen verletzende Punkte enthalten, zum Beispiel: „Wurde über Adoption nachgedacht? Wenn nein, warum nicht?“ Fragen nach den damaligen und derzeitigen „sozialen“ und „persönlichen“ Verhältnissen gehörten ebenso dazu wie die inquisitorische Frage, ob die Frauen beim Arzt „die Wahrheit“ gesagt hätten.

Ein Verfahren über den Vorwurf des Verstoßes gegen den Paragraphen 218 hat das Arztehepaar noch zu erwarten. Der vorgezogene Prozeß wegen Abrechnungsbetrugs, der gestern begann, droht dennoch zu einem Hexenprozeß gegen die als Zeuginnen vorgeladenen Frauen zu werden. Sie müssen in beiden Verfahren aussagen. Insgesamt sind bisher fast 300 Frauen als Zeuginnen vorgesehen.

Rechtsanwalt Franz Salditt befaßte sich gestern in einem Antrag mit dem Betrugsvorwurf. Er bemängelte, daß nur genau 13.843,18 Mark der angeklagten Summe von 370.471,- Mark konkret geschädigten Krankenkassen zuzuordnen seien, es fehle also der bei einem Betrugsverfahren erforderliche Betrogene. Staatsanwalt Lessing hielt dem entgegen, daß die Ärzte mit den Krankenkassen über die kassenärztliche Vereinigung abrechnen, dies sei also „alles ein Topf“ und eine einzelne Zuordnung deshalb nicht notwendig. Richter Baier wollte nicht die gesamte Hauptverhandlung platzen lassen und unterbrach statt dessen die Verhandlung bis zum 7.März (Saal 105, 8.30 Uhr). Er forderte die Staatsanwaltschaft zu einer präziseren Aufschlüsselung der Geschädigten auf. Dies sei, stellte er fest, „durchaus machbar“.

In einer anschließenden Pressekonferenz kündigten Frauen der IG Metall, der SPD, der Grünen und von Pro Familia eine ausdauernde Begleitung des auf 39 Verhandlungstage terminierten Verfahrens an. Sie warnten davor, daß hier wiederum ein Klima geschaffen werden solle, um Abtreibungen zu erschweren. Die Chance für Frauen, die abtreiben wollen, hätten sich nach den Verfahren in Bayern und Rheinland-Pfalz rapide verschlechtert. Beide Bundesländer hätten sich seit einigen Jahren auch für die Verschärfung des Paragraphen 218 stark gemacht.

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