Stasi-Betten für DDR-Touristen

■ Seit der Öffnung der Grenzen rechnet der Ostharz mit einem West-Urlauberboom

Auf der DDR-Seite des Harzes wird in diesem Jahr mit einem Massenansturm von Touristen aus der Bundesrepublik gerechnet. Sie werden in Heimen und Hotels untergebracht, die bisher fast ausschließlich vom Staatssicherheitsdienst und den „Politkadern“ in Beschlag genommen wurden, berichtete am Mittwoch ein „Tourismus-Organisator“ in Harzgerode (Kreis Nordhausen). Die Häuser stehen jetzt leer.

Rund 500 Betten, dies wurde auch vom Harzer Verkehrsverband in Goslar bestätigt, wurden bisher aus der Verpflichtung, sie an Privilegierte zu vergeben, herausgenommen. Bis zum Sommer sollen es 900 sein. Zwar sei das Gros der im DDR-Teil des Harzes

vorhandenen 25.000 Betten zur Zeit noch fest in den Händen anderer Träger, wie der Gewerkschaften, im Vermietverhalten der verschiedenen Beherbergungsbetriebe habe sich jedoch eine Wandlung vollzogen. „Wenn man vor Ort in einem Ferienheim anklopft, sind insbesondere die Gewerkschaften bereits dazu übergegangen, nichtbelegte Betten an West -Touristen zu vermieten“, so die Erfahrung des Harzer Verkehrs Verbandes. Nicht genutzte Hotel-und Pensionskapazitäten seien in der DDR ein völlig neues Phänomen. Es sei dadurch entstanden, daß sich DDR-Bürger bei Inlandsurlauben zurückhielten und ihre Verwandten in der Bundesrepu

blik besuchten oder ins westliche Ausland reisten. Früher mußten die Werktätigen oft mehrere Jahre warten, bis sie für zehn oder zwölf Tage in den Harz durften.

Bedeutend mehr als die demnächst freien 900 Betten erwarten die Harzgeroder Urlaubsvermittler, wenn Verträge zwischen Heimbetreibern und dem Gewerkschaftsbund (FDGB) im Herbst auslaufen. Die Gewerkschaft hatte bisher auch die meisten Privatquartiere unter Vertrag und bezahlte die Betten, obwohl sich angesichts der politischen Situation in den vergangenen Monaten kaum noch ein DDR-Bürger in Ruhe in die Harzer Berge zurückgezogen habe. dp