Neu im Kino: „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ von W. Allen

■ Mord und andere Stadtwehwehchen

In den letzten Jahren hat Woody Allen zwei ganz verschiedene Arten von Filmen gemacht: die komischen fürs Publikum, die immer rarer gesät wurden, und die ernsthaften, anspruchvollen, die er eher für sich selber zu drehen schien, und die ihm manchmal glückten, sich aber oft als prätentiöse Bergmannverschnitte entpuppten. „Crimes and Misdemeanors“ sind nun eigentlich zwei Filme in einem.

Die eine Hälfte des Films ist eine Farce mit dem altbekannten Stadtneurotiker Allen, der wieder in unglückliche Liebeshändel mit Mia Farrow verstrickt ist, und seine Wehwechen, Ticks und Ansichten über Gott und die Welt so witzig und selbstironisch inszeniert, daß für alle Fans des Komikers Allen die Welt in Ordnung sein sollte. Im anderen Teil des Films gibt es dafür rein gar nichts zu lachen: Martin Landau spielt einen Geschäftsmann, dem eine Geliebte in sein wohlgeordnetes Familienleben zu platzen droht. Mit der Hilfe seines kriminellen Bruders läßt er sie durch einen bezahlten Killer beseitigen - seine Skrupel, Ängste und überwunden geglaubten religiösen Gefühle bilden den Mittelpunkt dieses philosophischen Kammerspiels.

Auch in der Filmsprache unterscheiden sich die beiden Teile sehr: das Drama wird in zum Teil extrem langen Einstellungen gezeigt, mit nüchternen Bildern und getragener klassischer Musik. Die Komödie ist viel hektischer geschnitten, im Soundtrack sind hier Swingjazz und Broadwaymelodien zu hören. Oft werden die Schnittpunkte von Filmausschnitten aus alten Hollywoodschinken markiert, die sich Allen mit seiner kleinen Nichte jeden Tag im Kino ankuckt, und die zugleich die Vorkommnisse im anderen Teil ironisch kommentieren.

Die Klammer, die beide Geschichten zusammenhält, sind die vielfältigen familiären Verbindungen der jüdischen Großfamilien. Zusammengeführt werden beide Teile erst in den letzten Minuten, wenn die beiden Hauptfiguren sich auf der Hochzeit von Verwandten treffen.

„Crimes and Misdemeanors“ ist kein großer Schritt vorwärts für den Filmemacher Allen, aber er hat hier die Widersprüche seiner Arbeit so gut unter einen Hut gekriegt, wie zuletzt bei „Hannah und ihre Schwestern“. Beide Teile hätten für sich gestellt keinen guten Film tragen können: die Allengeschichte wäre zu belanglos, das Drama zu düster und kopflastig gewesen. So aber erreicht er eine feine Balance zwischen dem Ernsthaften und Komischen: und beide können zufrieden sein - er und sein Publikum. Wilfried Hippen

Atlantis 16.45, 19.00, 21.15 Uhr