Nächtliche Erholung für drogenabhängige Prostituierte

■ Haus in der Schmidtstraße für das Frauenprojekt des Ak-Drogen / Gratis-Angebote: Rückzug, Erholung, Wundversorgung und Gespräch

Kaum zu fassen: Eine Pressekonferenz über ein Haus für drogenabhängige Prostituierte, mitten in der Szene, und das ausnahmsweise ohne kampfbereit organisierte NachbarInnen und auch ohne Klagen über unfähige Behörden. In einer Spitzenlage für diesen Zweck, nämlich in der Schmidtstraße Nr. 5 im Steintor, hat das Frauenprojekt des Vereins 'Kommunale Drogenpolitik - für akzeptierende Drogenarbeit(AK) für sein lange geplantes „Nachtangebot“ ein Haus von der Bremischen zur Verfügung gestellt bekommen und renoviert. Seit drei Wochen können dort nachts zwischen 0 und 5 Uhr die drogenabhängigen Prostituierten für eine

Weile Kälte und Freier draußen lassen und sich aufwärmen, ein warmes gesundes Essen gratis kriegen, mit einem Kaffee an der Heizung sitzen und ein bißchen reden. Vielleicht will eine sich auch für eine Weile aufs Ohr legen: Oben gibt es ein französisches Doppelbett mit frischen Laken und ein richtiges Bad. Die Frauen vom AK haben an alles gedacht: an Handtücher und Badezusatz, Haarfestiger und sogar an einen Bestand an gewaschener Kleidung und Unterwäsche. Im Souterrain ist der pieksauber und flammneu ausgestattete medizinische Bereich. Hier macht eine Krankenschwester Verbandwechsel, kümmert sich um die oft

eitrigen und schmerzhaften Wundabszesse der FixerInnen. „Wir wollten auf keinen Fall hier mit Sperrmüll einrichten, die Frauen sollen merken, daß uns ihre Umgebung wichtig ist“, betont Sabine Michaelis, die als Rechtsanwältin für das AK -Frauenprojekt eingestellt ist.

Ohne Gesundheitssenatorin Vera Rüdiger säßen die Frauen wohl immer noch in dem winzigen Ladenlokal des AK in der Weberstraße und teilten den wenigen Platz mit obdachlosen Junkies. 300.000 Mark feste Haushalts

mittel bekommt das Frauenprojekt jährlich und für Behördenverhältnisse recht unbürokratisch; damit sind Honorare für das Mitarbeiterinnen-Team, Miete, Nebenkosten, Essensangebot und Verbandsmaterial abgedeckt.

Ansprechgruppe sind obdachlose Frauen, die hier eine Notübernachtung finden, und drogenabhängige Prostituierte. „Ein reines Übernachtunsangebot wäre uns zu wenig, das ist nicht die Konzeption“, so Sabine Michaelis, „hier laufen ganz andere Gespräche und Beratungen, als

wenn die Frauen nur zum Schlafen herkommen würden.“ Ein Schwerpunkt es es, vergewaltigte oder gewaltsam bedrängte Frauen zu einer Anzeige zu bewegen und sie bei den nötigen Gängen zur Kripo und ÄrztInnen zu unterstützen. An drei, demnächst vier Wochentagen (Mi., Fr., Sa.) ist das Haus nachts geöffnet, an den übrigen Tagen steht der Bus für Prostituierte der Bremer Hilfe auf dem Ziegenmarkt, allerdings nur bis 24 Uhr.

Mit der Nachbarschaft gibt es bislang zum Glück keine Pro

bleme. „Hier ist ja nichts los, es ist leise und unauffällig, und die Frauen wollen selbst nicht, daß ihr Rückzugsort von Freiern aufgesucht wird“, erklärt Dietlind Weiß, Ärztin und AK-Mitarbeiterin. Anfängliche Befürchtungen, es könnten Kondome oder gebrauchte Spritzen herumliegen, sind inzwischen durch die Wirklichkeit ausgeräumt. Alt gegen neu tauschen die Projekt -Mitarbeiterinnen gratis die Spritzen und sammeln die gebrauchten sofort zur Entsorgung ein. Susanne Paa