Angst vorm Wirrwarr

■ Der Designer Herbert W. Kapitzki im IDZ-Berlin

„Ein Sachverhalt ist denkbar heißt: Wir können uns ein Bild von ihm machen“ (Ludwig Wittgenstein)

Im Grunde genommen kommen mir Herbert W. Kapitzkis Piktogramme wie Verkehrszeichen für Halbautomaten im neo -kommunikativen Industriezeitalter vor: An so häßlichen Orten wie Flughäfen und Messehallen beispielsweise leiten sie diese wortlos aufs Klo und zeigen, wo sie sich die Hände waschen sollen. Bei Feuersbrünsten im Hotel signalisieren die kleinen schwarzen Frauchen und Männchen die richtige Richtung. Schließlich lenken sie in öffentlichen Gebäuden, wie der Kfz-Zulassungsstelle, die GTI-Fahrer in die garantiert falsche Abteilung. Wer ihnen (nicht) folgt, geht unter. Sprachlos werden Befehle, Warnungen, Hinweise oder Signale symbolisiert - international versteht sich - die rücksichtslos Folgsamkeit fordern, Fragen ausschließen und schon gar nichts erklären.

Abgesehen von ein paar wirklich netten Figürchen und Zeichen, wie seiner Totenkopfserie, erscheint die Piktogramm-Welt Kapitzkis, die aus Anlaß seiner HdK -Pensionierung derzeit im IDZ-Berlin gezeigt wird, als ein komplettes Orientierungssystem für alles und jeden, das selbst vor Beischlafanweisungen nicht Halt macht, wie man auf Opel-Manta-Kofferraumdeckeln sehen kann. Kapitzki reduziert in seinen Hinweisschildern und Tafeln alles Lebendige auf abstrakte Zeichen und Bildsymbole, die zwar den realen Anlaß noch erkennen lassen, doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Darstellung von Funktionen kommunikativer Prozesse einem perfekt ausgetüfteltem Weltersatzprogramm gleichkommt, das Abkürzungen oder Umwege nicht kennt. Als wären die Dinge nur auf den Zweck aus, erscheinen die Piktogramme als disziplinierende Anweisungen für sogenanntes „erfolgreiches Handeln“, für das „die Visualisierung von Sachverhalten wesentlicher ist, als die Illustrierung von Vorstellungen“ (H.W.K). Die Sprache wird zugunsten stummer, gesichtloser und immergleicher Hieroglyphen aufgegeben und mit einer Syntax aus Haupt-und Nebenzeichen vertauscht. Als Unmündiger im doppelten Wortsinn hat man sich darin sprachlos zu verhalten.

Hatte Kapitzki nach seinem Kunststudium bei Willi Baumeister anfangs lustig-bunte Typographie-Flausen aufs Papier gebracht, mittels derer er als Werbedesigner von Porsche deren Manager vermutlich an den Rand der Verzweiflung trieb - „Ein Hirschkäfer ist kein Auto, aber einzig in seiner Art“ (H.W.K. 1957) - oder im Ölfeuer -Jahrbuch (1961/62) die kleinkarierten Ofensetzer mit russisch-konstruktivistischen Buchstaben quälte, so erhielten die gestalterischen Zeichen bald ein geometrisches Raster, aus denen sie nur schwer ausbrechen konnten. Zunächst experimentierte er dabei mit einfachen abstrakten Formen auf der Fläche, doch durch ständige Reduktion der Zeichen entstand allmählich ein modifizierbares Gerüst, das variabel war und komplexe Orientierungssysteme möglich machte.

1962 erstellte Kapitzki für die 'Stuttgarter Nachrichten‘ eine Werbeserie, die in immergleichem Rahmen, Schrifttyp und Layout verschiedenartige Symbole für die journalistische Unabhängigkeit des Schwabenblattes präsentieren sollte; reale Vorgänge wie Bewegung, Spannung oder Richtungsänderungen waren dabei abstrakt gestaltet. Für das Stationszeichen „SWF“ des Südwestfunk Baden Baden entwickelte Kapitzki 1967 ein veränderbares Innenfeld, in dem verschiedene Bild- und Schriftzeichen und selbst geometrische Figuren darin integriert werden können, ohne daß die charakteristische Konfiguration des Zeichens geändert werden müßte.

Überhaupt, geht man durch die Ausstellung, scheint die Corporate Identity für Industriefirmen und Dienstleistungsbetriebe - neben der Hochschullehre in Ulm und Berlin, die den Studenten den Fachbereich „Visuelle Kommunikation“ bescherte - Kapitzkis große Obsession gewesen zu sein. Noch heute schmücken sich das Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, die Stuttgarter Straßenbahnen oder die Schering AG in Berlin mit dem Design Herbert W. Kapitzkis. Man wird Zeuge von Kapitzkis bildgewordenen Glauben, daß teures und gut durchgestyltes Outfit allemal besser manipuliert, als spekulatives Marktgeschrei. Eine ehrliche Haut wie etwa der Werbestratege Roman Antonoff nimmt sich mit seinem Image-Kursbuch für die Unternehmen der Texilbranche dagegen wie ein infantiler Depp aus: „Hier finden Sie einige Tips, die zu schnellen Image-Erfolgen führen können und die nicht die Welt kosten: Man tut irgendwas, das eigentlich nicht zum Geschäft gehört. Wenn sie die Herzen der Bürger gewinnen wollen, tun Sie was für den Tierschutz. Das kostet nicht die Welt, doch die Resonanz ist sagenhaft.“

rola

Die Ausstellung „Herbert W. Kapitzki - Plakate Zeichen Visuelle Gestaltung“ ist noch bis zum 28.März im IDZ-Berlin, Kurfürstendamm 66 zu sehen. Montag bis Freitag 10-18 Uhr.