Die Kulturrevolution kommt

■ Rosa-Luxemburg-Straße ade: Die West-CDU betreibt Ostberliner Kulturpolitik

Während andere Wahlhilfsredner noch umständlich gen Osten fahren, haben die konservativen Kulturpolitiker mal wieder den Zug der Zeit erkannt, indem sie diesen rechtzeitig gewendet haben: Man geht nämlich nicht mehr rüber, man bleibt schon wieder hier und läßt die von drüben rüberkommen. Im Rathaus Schöneberg veranstalteten gestern erstmals Ost- und West-Unionisten eine gemeinsame Pressekonferenz in Sachen „das zusammenwachsende Berlin kulturpolitische Vorgaben“. Offiziell eingeladen hatte der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Uwe Lehmann-Brauns, und zwar als Alleinvertreter von Michael Tollkühn (Demokratischer Aufbruch) und Wolfgang Sparing (Ost-CDU) - der Vertreter der Deutschen Sozialen Union (DSU) als dritter Alliierter im Wahlbündnis „Union für Deutschland“ hatte den Termin verpaßt - denen wiederum nur blieb, das zu begründen, was Lehmann -Brauns „i.A.“ auf- und unterschrieben hatte.

So will Lehmann-Brauns dem Osten auch in Zukunft eine staatliche Kulturförderung gewähren. Namentlich Kreiskulturhäuser, Heimatmuseen und Musikschulen will der frisch gebackene Dezentralist und Basis-Kulturarbeiter dort unterstützt wissen, während ja die Staatstheater dort böse, böse, nämlich SED-unterwandert sind. Bevor einer „Umstrukturierung des Kulturetats von Ost-Berlin - derzeit 373 Mio. Mark - vorzunehmen ist“, will Lehmann-Brauns allerdings erst Kultureinrichtungen und Künstler anhören. Die Künstler selbst sollen „nach dem 18. März 1990 und nach der gesamtdeutschen Wahl... sozial abgesichert bleiben“ wie das geht, weiß allerdings noch nicht einmal Herr Lehmann -Brauns.

Und wenn es endlich so weit ist, mit Groß-Berlin, dann wird erneuert. Und zwar in der Stadt selbst, wobei die „Maßstäbe der Stadtpolitik ihren Sitz in der Kultur hätten“ und diese dann auch für Altbauerhaltung und Denkmalpflege sich zuständig macht, aber auch im allgemeinen Geistig -Moralischen: Hier steht nicht nur eine Forschungsstelle zum Stalinismus in der ehemaligen Stasi-Zentrale, sondern auch die „Befreiung von Sprache und Begriffen der Nomenklatura“ auf dem Lehmann-Brauns-Putzplan. Dabei sollen nicht nur schlimme sozialistische Wörter aus den Schulbüchern getilgt, sondern auch die entsprechenden Straßennamen wegzensiert werden, damit die alten Namen von vor 1933 „wieder in ihr Recht eingesetzt werden“.

Was das alles mit West-Berlin zu tun hat? Nichts, außer, das von hier aus nun endgültig der Osten regiert wird. Lehmann-Brauns: „Die Maßstäbe dieser Zeit kommen doch aus der Kultur.“ Quod erat demonstrandum.

grr