Mister 220-Volt als Philanthrop

Box-Mogul Don King kämpft um den Schwergewichtsweltmeister James „Buster“ Douglas  ■  PRESS-SCHLAG

Eines kann man Don King, dem gewieften Box-Promoter, der immer so aussieht, als stünden ihm vor Entsetzen über sich selbst die Haare zu Berge, gewiß nicht nachsagen: daß er schnell das Handtuch wirft, symbolisch gesprochen. So tief er auch fällt, Don King fällt auf die Füße. Gern erzählt er selbst die Geschichte vom Kampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht im Januar 1973 in Jamaica. King hatte damals gerade vier Jahre Knast wegen Totschlags abgesessen und kam als Freund des Titelverteidigers Joe Frazier nach Kingston. In den Tagen vor dem Kampf lernte er George Foreman, den Herausforderer, kennen und freundete sich auch mit ihm an. In der Luxus-Limousine des Weltmeisters fuhr King mit Polizei-Eskorte zur Arena, wo er seinen Platz in der ersten Reihe direkt an Fraziers Ecke einnahm.

„In der ersten Runde“, pflegt King zu berichten, „traf George Frazier mit einem verheerenden Schlag, der Joe in die Höhe riß. Jedes Mal, wenn er Frazier traf, rückte ich näher ans andere Ende der Reihe in die Nähe von Georges Ecke. Als der Kampf in der zweiten Runde gestoppt wurde, war ich in Georges Ecke. George sagte, 'Komm mit‘, und es war dieselbe Sache - Motorradpolizisten, Blaulicht. Ich kam mit dem Weltmeister, und ich fuhr mit dem Weltmeister weg.“

Auch als sein Schützling Mike Tyson vor drei Wochen in Tokio von dem eigentlich als Fallobst vorgesehenen James „Buster“ Douglas in Grund und Boden gehauen wurde, hielt sich King nicht lange mit Jammern auf. Nicht umsonst werden die Funktionäre der Boxverbände WBC und WBA in Insiderkreisen gern als „Buchstabensuppenkasper“ bezeichnet. „Was immer es für Regeln gibt, sie lassen sich ändern“, sagt Dennis Rappaport, ein Boxveranstalter, über die Konsequenz der zwei rivalisierenden Organisationen. Also focht King erst mal das Urteil an und brachte die Boxverbände dazu, den Kampf vorläufig zu annullieren. Es folgte ein empörter Aufschrei der Öffentlichkeit - schließlich hatte jeder Tyson hilflos auf dem Ringboden herumtapsen sehen - und King erkannte, daß er den Bogen überspannt hatte, die Entscheidung wurde revidiert, Douglas endgültig Weltmeister.

Darauf zog der 58jährige King seinen zweiten Trumpf aus der Tasche. Der kluge Mann baut vor, und so hatte er, obwohl seine ganze Fürsorge dem scheinbar unschlagbaren Tyson galt, sich vorsorglich im Dezember 1988 eine Option für den Fall gesichert, daß die verschlungenen Pfade des Schicksals irgendwann einmal Douglas auf den Weltmeisterthron führen würden. Mit seiner Unterschrift hatte der damals wenig hochgeschätzte Boxer alle Promoter-Rechte bis zwei Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem er den Titel wieder verlieren würde, an die New Yorker Box-Eminenz über eignet.

Diesen Vertrag präsentierte King jetzt, als deutlich wurde, daß Douglas offensichtlich entschlossen ist, seine nächsten Kämpfe gegen Evander Holyfield und Tyson unter den Fittichen des Hotelbesitzers Steve Wynn in dessen Etablissement „Mirage“ in Las Vegas auszutragen, was nicht weiter verwunderlich ist, garantiert ihm Wynn doch eine Börse in Höhe von 60 Millionen Dollar. Don King aber fühlt sich schäbigst hintergegangen und stellt sich plötzlich als selbstloser Philanthrop dar, eine Rolle, die zu ihm paßt, wie die des Rotkäppchens zu Boris Karloff. „Ich habe ihn jahrelang gefördert, ich habe ihn entwickelt, ich habe ihn ernährt und ihn unterstützt, als niemand anders ihn wollte“, lamentierte er tränendrüsengefährdend, um gleich darauf, wieder etwas authentischer, finster zu dräuen: „Bevor er es genießen kann, Schwergewichtsweltmeister zu sein, bevor er sich des Reichtums eines Schwergewichtschampions freuen kann, wird das erste, was er entdeckt, sein, daß er in einen Prozeß verwickelt ist.“

Seinem Kontrahenten Steve Wynn bescheinigt der Box-Mogul eine „totale Ablehnung dem Gesetz gegenüber“. Als „Dinosaurier“ habe ihn dieser unverschämterweise tituliert, aber er habe ihm geantwortet: „Ich habe das Gesetz auf meiner Seite, und du wirst auf der Straße stehen und Molotow -Cocktails schmeißen.“ Wynn sieht die Sache naturgemäß völlig anders. Er betrachtet den Vertrag zwischen Douglas und King als rechtswidrig, da es im Bundesstaat Nevada nicht erlaubt sei, sich Veranstaltungsrechte an Boxkämpfen über Optionen zu sichern. Bevor die erste Titelverteidigung des neuen Weltmeisters in Las Vegas, oder wo auch immer, über die Bühne gehen kann, steht jedenfalls erst mal ein langwieriger Rechtsstreit ins Haus.

Der übelbeleumundete King versucht derweil angestrengt, sein düsteres Image ein wenig aufzupolieren. „Wenn ich der Chef einer Gangsterbande wäre“, argumentiert er voller Raffinesse gegen die landläufige Meinung über ihn und seine zahlreichen Geschäfte, „hätte ich ja wohl eine Horde von Schlägern, die für mich arbeiten. Also, schaut doch, was passiert ist - keine gebrochenen Arme und Beine, oder?“ Jeder wolle ihn nur schlechtmachen, klagt der gewichtige Mann mit dem 220-Volt-Haarschnitt, verlangt, daß man ihn doch endlich „nach seinen Verdiensten“ beurteilen solle und versteigt sich zu guter Letzt gar noch in konstitutionelles Terrain: „Ich spiele nach den Regeln der amerikanischen Verfassung.“ Die wird diesen verbalen Seitenhieb mutmaßlich locker verkraften können, sie hat wahrlich schon für Schlimmeres herhalten müssen.

Matti Lieske