Sandinisten-Basis schluckt schwer an der Wahl

■ Während die politische Führung in Managua sich in der Oppositionsrolle einzurichten versucht, herrscht in Provinzregionen teilweise Bürgerkriegsstimmung / Parteipresse ruft ihre LeserInnen zur Besonnenheit auf / Ortega traf Solidaritätsgruppen

Managua/Berlin (taz) - Während in Nicaragua Sandinisten und Uno zur Mäßigung aufrufen und bei ersten Gesprächen Modalitäten der Machtübergabe verhandeln, brodelt es weiterhin an der Basis. Seit dem überraschenden Wahlsieg der konservativen Opposition am 25. Februar sind in Nicaragua mehrere aktive Sandinisten wie auch mindestens ein Uno -Anhänger von den jeweiligen politischen Gegnern ermordet worden. In einigen Städten wie Esteli herrschte zwei Tage lang Bürgerkriegsstimmung, bis die Polizei die Lage unter Kontrolle hatte. Der Noch-Polizeichef Rene Vivas empfahl daraufhin allen Aktivisten, auf Provokationen nicht einzugehen, legitimierte jedoch die bewaffnete Selbstverteidigung. Die organisierten Arbeiter gingen noch weiter und verlangten am Mittwoch in einer Versammlung mit Revolutionskommandant Victor Tirado die Ausgabe von Waffen an die Betriebe. Viele Farmen, staatliche Fabriken und andere Institutionen haben in den letzten Jahren Waffenlager angelegt.

Lenin Cerna Suarez, Direktor der Sicherheitspolizei im Innenmisterium, wird von der 'International Herald Tribune‘ zitiert: „Wir haben zwar eine neue Regierung, aber das System kann man nicht so einfach ändern. Ich werde niemals den Anordnungen Chamorros gehorchen.“ Am Donnerstag bestätigten die Sandinisten Meldungen der US-amerikanischen Nachrichtenangentur 'ap‘, wonach viele Soldaten dem Militär seit dem Wahlsieg weglaufen. Dementiert wurden hingegen Berichte, das Militär lege Waffen- und Munitionsverstecke an. Im Oberkommando des Sandinistischen Volksheeres regt sich derweil Unmut. Kommandant Bayardo Arce meinte, das Oberkommando könne von keiner Regierung ausgewechselt werden.

Die sandinistische Parteizeitung 'Barricada‘ mußte in einem Leitartikel am Donnerstag zur Besonnenheit aufrufen und selbst 'La Prensa‘, das Zentralorgan der Uno, übt sich in erstaunlicher Zurückhaltung. Das ist auch die Linie der Herausgeberin und gewählten Präsidentin Violeta Chamorro. Denn die künftige Regierung hat größtes Interesse an einer friedlichen Übergangsphase und ist daher auch für die Entwaffnung der Contra-Verbände.

„Ein Bürgerkrieg muß um jeden Preis vermieden werden“, meint auch Sofia Montenegro, die in der 'Barricada‘ jahrelang die Meinungsseite geleitet hat. Sie scheint sich bereits darauf zu freuen, die neue Regierung aus der Opposition attackieren zu können. Ein schwacher Trost. Zwar sind noch immer nicht alle Wahlkreise ausgezählt, doch es gilt als ziemlich sicher, daß die Uno die für Verfassungsänderungen erforderlichen 60 Prozent der Abgeordnetensitze nicht erreicht. Vielmehr scheint es wahrscheinlich, daß die FSLN zu 38 sicheren Parlamentssitzen noch einen hinzugewinnt, nämlich in der Südatlantikregion um Bluefields, wo die taz-LeserInnen den Wiederaufbau der im Oktober 1988 vom Hurrikan Juana zerstörten Schulen finanziert haben. Auch Daniel Ortega als geschlagenem Präsidentschaftskandidaten steht nach dem Wahlgesetz ein Mandat zu. Er ist auch fest entschlossen, die neue Aufgabe ernstzunehmen: „Ich werde von der Basis aus Opposition machen“, versprach er am Donnerstag anläßlich des nationalen Journalistentages.

Tags zuvor hatte er vor 1.500 VertreterInnen ausländischer Hilfs-und Soligruppen gesprochen und versuchte, die verunsicherten InternationalistInnen zu beruhigen. Die Sandinisten würden auf Frau Chamorro Druck ausüben, daß die Hilfsprogramme auch nach dem Machtwechsel weiterlaufen könnten. An einer Zusammenarbeit mit den „Sandalistas“ scheint das neue Regime jedoch gar nicht interessiert.

AS