Land zahlt für illegale Razzia

Für Einkesselung im Göttinger Jugendzentrum „Juzi“ zahlt Niedersachsen jetzt Entschädigungen  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Hannover (taz) - Über drei Jahre nach dem Polizeiüberfall auf das Göttinger Jugendzentrum „Juzi“ muß das Land Niedersachsen jetzt einem Teil der Jugendlichen Schadensersatz zahlen, die Anfang Dezember 1986 stundenlang von der Polizei festgehalten worden waren. Nachdem das Landgericht Göttingen einem der 414 Betroffenen 200 DM Schadensersatz für den Polizieinsatz zugesprochen hatte, will das Land die gleiche Summe nun an weitere 78 Jugendliche zahlen, die ebenfalls eine Schadensersatzklage eingereicht hatten. Dies hat jetzt vor dem Rechtsauschuß des niedersächsischen Landtages der Leiter der Polizeiabteilung im Inneministerium, Hans-Peter Mahn, zugesichert.

Bei dem Sturm auf das Jugendzentrum am 1. Dezember 1986 hatte die Polizei gleich eine ganze Versammlung von 414 Personen vier Stunden lang „in Gewahrsam genommen“ und einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Weitere 90 von dem Polizeieinsatz Betroffene hatten beim Innenministerium Schadensersatzansprüche geltend gemacht, ohne Klage einzureichen. Diesen Personen gegenüber hatte das Ministerium mit einem Satz sein Bedauern ausgedrückt und sie ansonsten auf den Klageweg verwiesen. Auf Nachfragen der Grünen im Rechtsauschuß teilte Hans-Peter Mahn jetzt mit, die Schadensersatzansprüche dieser 90 Personen betrachte das Ministerium als verjährt. Lediglich einem Künstler, dem die Polizei bei dem Juzi-Überfall ein Bild demoliert hatte, hat das Ministerium inzwischen 3500 DM gezahlt.

Rechtlicher Einbruch auf ganzer Linie

Die „Ingewahrsamnahme“ einer ganzen Veranstaltung in dem Göttinger Jungendzentrum war schon vom Verwaltungsgericht Braunschweig und vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg als Verletzung des Versammlungsrechts angesehen und für rechtwidrig erklärt worden. Mit der Anerkenung der Schadensersatzansprüche hat jetzt auch das Innenministerium erstmals eingestanden, das die Razzia im Juzi ein Rechtsbruch war. Der Grüne Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin, der die Angelegenheit im Rechtsausschuß wiederum auf die Tagesordnung gebracht hatte, bezeichnete das späte Eingeständnis des Ministeriums „als totale Niederlage der CDU-Scharfmacher“ um den Ex-Innenminister Hasselmann und den Göttinger Landtagsabgeordneten und CDU-Generalsekretär Hartwig Fischer, der seit Jahren bei jeder Gelegenheit gegen das Göttinger Jugendzentrum polemisiert. Den jetzigen Inneminister Josef Stock forderte Trittin auf, sich nunmehr öffentlich für den rechtswidrigen Polizeieinsatz zu entschuldigen.