Fenster bei Rattenclub eingeworfen

■ Szenen vom Prenzlauer Berg oder: Neonazis sind längst verboten

„Man schließt die Augen und glaubt, es müsse sich inzwischen alles so verändern, daß man die Augen wieder aufmachen kann.“ - Peter Handke

Samstag, 3. März, gegen 17 Uhr, Kastanienallee, Prenzlauer Berg

Der RAT-PUB, die Rattenkneipe, in der Kastanienallee ist nur mäßig besucht. Die Typen, die dort verteilt über die drei Räume in den Sperrmüllsesseln hängen, tragen zerschlissene Jeans mit Accessoires der sowjetischen Armee, dazu verschiedene bunte Haartrachten.

DDR-Fahne und zerschlissene Arbeiterfahnen sind an die Wand gepinnt, signalisieren die politische Grundhaltung: „Für die Gleichberechtigung aller ausländischen Mitbürger, aller Andersdenkenden, Anderslebenden, Andersliebenden“. Willkommen sind alle außer Nazi-Ratten, so gibt es das Plakat zur Eröffnung in einem Comic zur Kenntnis. Die Szene ist gleichermaßen bunt wie friedlich.

Gegen 17.10 Uhr: Vom Prater her zieht eine grölende Gruppe Jugendlicher auf. Hundert? Zweihundert? Polizeiwagen begleiten sie. Das Grölen kommt schnell näher, wird lauter. Die Horde beginnt zu laufen. Das Brüllen der Kurzgeschorenen in den Bomberjacken wird deutlich: Rote raus, Rote raus. Schon fliegen Steine. Blindwütig treten Bomberstiefel Scheiben ein. Einer fordert auf, die Bullenautos aufzuklatschen...

Ein Fenster wird gerade mit Brettern vernagelt. Türscheiben sind noch zerschlagen. Der Fotograf von der Kripo packt sein Köfferchen. Drinnen ist offenbar nichts zerstört. Man sitzt oder steht schon wieder an den Tischen, trinkt, ißt, quatscht...

Vorgeschichte

Über drei Wochen hatten Fidel, Rene, Conny, Axel, Dennis, Janek, Martin, Schmuddel und Ference die total heruntergekommenen Räume im Paterre des alten Berliner Hauses hergerichtet, Mobilar und alles Notwendige besorgt. Jetzt wollen sie das Abrißhaus für eine symbolische Mark von der KWV kaufen, um es dann mit Einnahmen aus dem Ratten-Pub zu renovieren. Daß noch Gewerbegenehmigung und Hygienepässe einzuholen sind, macht das Team nicht mutlos. Sie denken schon weiter. An Lesungen junger Autoren, die wie sie selbst auf der Suche sind und keine großen Honorare erwarten.

rudi