Öffnung oder Spezialisierung?

■ Zweiter Teil der taz-Reihe zur Musiker-Ausbildung in Bremen

Wenn Verhältnisse einmal in Bewegung geraten sind, werden vermeintliche Ziele oft als kurzfristige Übergangslösungen in Frage gestellt. Kaum haben wir in Bremen unter dem Dach der Hochschule für Künste eine vom Status her vollwertige Musikhochschule, da wird sie schon als unzureichend und grundsätzlich veränderungsbedürftig bezeichnet. Die mühsam ausbalancierte Lösung, dem ehemaligen Konservatorium den Musikbereich der Universität und die Akademie für Alte Musik als Institute zuzuordnen, war nur unter der Bedingung einer weitgehenden Autonomie der einzelnen Bereiche möglich. So ist es eben, das Musikleben in Bremen. Doch selbst wenn es so ist, wenn es schlecht ist, muß es verändert werden. Vorschläge zu einer Neuordnung der Musikausbildung haben die beiden Kompositionsstudenten Eckhart Beinke und Friedemann Schmidt-Mechau vorgelegt.

Abkapselung

Für sie bedeutet Autonomie Abkapselung, ängstliches Beharren auf Lehrmeinungen - den Anforderungen einer zeitgemäßen Musikausbildung sei das nicht gewachsen. Musikausbildung solle leben, antimuseal, grenzenlos offen und öffentlich, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Hochschule. Erst die Integration der Bereiche könne lebendigen Austausch bringen: Neue und Alte Musik verbänden sich bei Improvisation und linearem Denken, künstlerische Praxis brauche ein musikwissenschaftliches Fundament...

Auseinandersetzung

Und alles zusammen brauche die Auseinandersetzung mit der gern als feindlich betrachteten Außenwelt. Hearings, Projekte, Workshops, Konzerte in Betrieben - die ganze schöne Ideenwelt der 70er Jahre soll in den 90ern Wirklichkeit werden. Das stehe gegen die auch vom Klassik -Musikmarkt geforderte Spezialisierung. Ebenso wie es in der Pop-Musik den Funk-Spezialisten gibt, der anderes nicht kann, gibt es im E-Musik-Bereich den Spezialisten für italienische Musik des frühen 16. Jahrhunderts.

Spezialisierung

Diese Spezialisierung ist jedoch so lächerlich nicht, bedeutet sie

doch gründliche Auseinander setzung und Identifikation mit einer bestimmten Musik. Auch die Projektidee hat nach 25 Jahren Bremer Uni ihre Unschuld verloren. Die verschiedenen Disziplinen haben ihre Spezifika, die sich nur sehr kompliziert mit anderen verbinden lassen.

Entgrenzung

Diese Einwände sollen aber die Notwendigkeit von Entgrenzungen und Projekten nicht bestreiten, gründliche Auseinandersetzung ist erforderlich. Inhaltlicher Kern des Papiers ist die Neue Musik, die geeignet scheint, der Musikhochschule Profil zu geben. Dieser Ansatz ist begründet, in

Bremen gibt es durch Radio Bremen eine Tradition im Bereich der Neuen Musik, die für die Musikhochschule genutzt werden könnte. Darüber hinaus soll die Neue Musik als Gedanke des Neuen, sich verändernden die Lebendigkeit der Musikausbildung gewährleisten.

Das Papier von Beinke und Schmidt-Mechau schlägt konkrete Umsetzungsmöglichkeiten zum Beispiel für die Komponistenausbildung vor. Insgesamt sind die Vorschläge sehr gedankenreich und als Diskussionsgrundlage für eine Neuordnung der Musikausbildung in Bremen geeignet.

Andreas Lieberg