„...wejen de Gleise... “

■ Erlebnis Großstadt: Trambahnfahren mit der „83er“ durch Köpenick / Material im Kampf gegen Material...

0.20 Uhr, die Bürgersteige im Ostberliner Stadtteil Köpenick sind seit langem hochgeklappt. Nicht einmal ein paar zwielichtige Gestalten im Halbdunkel der Straßen bringen mein Herz zum Klopfen. Doch dann nähert sich von mir sehnsüchtig erwartet und eine wohlig-gruslige Gänsehaut über den Rücken jagend ein schauerlich-schönes Vergnügen ganz besonderer Art - die Straßenbahn, Linie 83.

Weithin hörbar quietscht sie mit atemberaubender Erbarmungslosigkeit um die Kurve, und meine Zähne klappern nun nicht mehr vor Kälte, sondern weil ich sie ob des schmerzenden Geräusches zusammenbeißen muß.

Das mit nur einem Scheinwerfer schwach blinzelnde Ungetüm hat sich nun endlich ganz langsam um die Ecke gequält und kommt an der Haltestelle zum Stehen. Ich zerre an der von Hand zu öffnenden Tür des ersten Wagens und erklimme das schummrig beleuchtete Innere. Ein Pärchen kuschelt einsam in der Ecke, sonst ist niemand weiter drin. Bedächtig suche ich mir einen von den vielen freien Plätzen aus und lausche mit Entzücken jedem tiefen Knirschen und schrillen Quietschen hinterher. Überhaupt kein Vergleich mit den modernen „Tatra“ -Bahnen, die mit rasantem Tempo durch die Innenstadt sausen.

„Wie alt sind diese Straßenbahnen eigentlich?“ frage ich bei nächster Gelegenheit einen an einer Wendeschleife pausierenden Fahrer. Ein schräger Blick fällt auf mich, und er fragt zurück: „Sind Se von drüben?“ „Nee, wieso?“ „Na, die kieken imma so, wie Sie fragen.“ „Mhm, wissen Sie denn nun wie alt die Bahnen sind?“ frage ich hartnäckig noch einmal. Er überlegt nun doch: „Warten Se mal - die wurden zwischen '57 und '69 jebaut, aber det Fahrjestell war oft noch von vorm Kriech... Det Modernste an die Dinger ist det Funkjerät, aber det haben ooch nich alle. Sind eben janz schön olle Kisten.“ „Quietschen sie deshalb immer so laut?“ „Och, aber det is eigentlich mehr wejen de Gleise, die sin an manche Ecken zu enge und überhaupt, oft stimmt die Spurbreite nich mehr - allet ville zu sehr runterjefahren.

Die Tatra-Bahnen würden hier draußen außerdem auch janich det Stromnetz aushalten, die zieh'n zu ville.“ „Würden Sie denn lieber mit so einer neuen Tatra-Bahn fahren?“ Brummen und dann: „Ach, mir ist det ejal!“ - Meine letzte Frage war wohl genau eine zuviel und ich trete lieber den Rückzug an im letzten Hänger dieses technischen Fossils.

Petra Markstein