„Wie bei Dieben und Mördern“

■ SPD will Totalverweigerer generell ausliefern / Scherer hat „Asyl“ im Rathaus / Zehn DDR-Verweigerer ketteten sich an

Der untergetauchte und von der Auslieferung in den westdeutschen Knast bedrohte Wehrdiensttotalverweigerer Gerhard Scherer hat „friedenspolitisches Asyl“ im Rathaus Schöneberg gefunden. Scherer, der sich bisher im Ostteil der Stadt aufhielt, um der Verhaftung zu entgehen, wohnt seit gestern in den Fraktionsräumen der AL.

Vor der Presse wiesen die Totalverweigerer darauf hin, daß die SPD „Auslieferungen nun allgemein durchziehen“ wolle. Dies habe ein Gespräch der Totalverweigerer mit dem Staatssekretär für Inneres Detlef Borrmann (SPD) ergeben. Borrmann habe die Auffassung vertreten, daß die Amtshilfe von Berliner Behörden gegen Totalverweigerer eine „neutrale“ Amtshandlung sei, die nicht gegen den Status West-Berlins verstoße. Laut Borrmann ist der Senat bei Totalverweigerern genauso zur Amtshilfe gezwungen, „wie bei Dieben und Mördern“.

Die Totalverweigerer vertreten hingegen nach wie vor die Auffassung, daß Scherer nicht ausgeliefert werden darf, weil er im Knast eine neue Einberufung erhält und somit ein Berliner Bürger der Wehrpflicht zugeführt werde. Die AL verurteilte die Auslieferung von Totalverweigerern als „skandalösen Anachronismus in Zeiten in denen in der DDR die Soldaten aus den Kasernen weglaufen“.

Ebenfalls gestern haben sich zehn Totalverweigerer aus der DDR im Aufgang des Rathauses Schöneberg an eine Säule gekettet. Die Protestierenden wurden von der Polizei von ihren Ketten geschnitten, von einigen wurden die Personalien aufgenommen. An der Aktion nahm auch Bärbel Bohley vom Neuen Forum teil. Sie versuchte vergeblich, ein Gespräch zwischen Bürgermeister Momper und Innensenator Petzold und Gerhard Scherer zu vermitteln.

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