Wohlrabe wird homo-phil

■ Präsident des Abgeordnetenhauses fordert Streichung des Schwulenparagraphen 175 / Damit steht der CDU-Mann in seiner Partei ziemlich allein

Jürgen Wohlrabe, Präsident des Abgeordnetenhauses und von Beruf Verleiher martialischer Jugendfilme („Rambo 1, 2, 3...“) hat sein Herz für die gleichgeschlechtliche Liebe entdeckt. Als bisher wohl ranghöchster CDU-Politiker forderte er am Wochenende die ersatzlose Abschaffung des diskriminierenden Paragraphen 175 Strafgesetzbuch, der sexuelle Kontakte zwischen minderjährigen und volljährigen Männern kriminalisiert.

Bei einem Rathausempfang von 36 Schwulen und Lesben aus der DDR stellte Wohlrabe am Wochenende laut Ohrenzeugen klar, daß er schon immer der Meinung gewesen sei, daß der Paragraph gestrichen gehöre: „Ich komme ja aus der Filmbranche, und da gibt es ja viele Leute so wie Sie“. Auch beim Paragraph 218 vertrete er eine „liberalere Position als meine Partei“. Tatsächlich ist nämlich mit der CDU eine Streichung des 175er bisher nicht machbar gewesen.

Die CDU-Bundestagsfraktion steht wie ein Mann dagegen. Bei der SPD sieht es im Programm zwar besser aus, aber in der Praxis genauso schlecht. Bis zur Bundestagswahl ist nichts mehr drin: zu riskant. Der Berliner CDU-Sprecher Thomas de Maiziere wollte gestern nur ungern Stellung nehmen, da ihm die Äußerungen des Präsidenten nicht vorlagen. Er machte aber deutlich, daß die CDU „bei diesem sensiblen Thema nicht an eine grundlegende Änderung“ denke. „Wir sollten das lieber so lassen, wie es ist, alles andere zerstört eher den Frieden“. Die schwulen AL-Abgeordneten Telge und Eckert hingegen begrüßten die Wohlrabe-Forderung. Allerdings müsse bei einer Abschaffung auch dieselbe „Schutz„altersgrenze gelten wie bei Heteros, nämlich 14 Jahre, wie in der DDR seit zwei Jahren üblich. Mit dem rechtlichen Gefälle zwischen DDR und BRD befaßten sich am Wochenende auch die „Schwulen Juristen“ auf einer Tagung in Göttingen. Sie forderten, daß es bei einer Rechtsangleichung zu keiner Verschlechterung bei gleichgeschlechtlicher Liebe und Abtreibung geben dürfe.

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