Wenn Donald Duck durchs Schneegestöber reitet

■ Jeder kann im schwedischen Fernsehen senden

Der König grübelnd zu seinem Hofnarren: „Mein Volk versteht mich nicht, nicht einmal meine allertreuesten Gefolgsleute verstehen mich.“ - „Tja, Majestät, auch ich habe so meine...“ - „Deshalb habe ich dich nicht gerufen. Was rätst du mir?“ - „Reitende Boten sind nicht schnell genug, Majestät, um Eure ratlosen Getreuen über Eure neueste Politik zu informieren. Ich habe aber etwas von einer Direktvision...“

Richtig, dieser Werbespot ist erfunden. Es gibt ihn nicht, wie es überhaupt im staatlichen schwedischen Fernsehen, von dem hier die Rede ist, - noch - keine Werbung gibt. Werbung nicht, aber im Prinzip kann jeder, der Lust, Laune und Geld hat, über das Netz des Zweiten Programms senden, was er will. In den reichlichen Sendepausen, denn werktags geht es selten vor 17 Uhr mit dem regulären Programm los, und meist schon vor Mitternacht wird die Fernsehfamilie Sevensson ins Bett geschickt.

Direktvision heißt der Dienst des in Schweden für den Betrieb der Fernsehsender zuständigen Televerket. Seit vier Jahren gibt es ihn schon, aber erst jetzt wurde er erstmals von einer politischen Partei in Anspruch genommen, um ihre verunsicherte Anhängerschaft schnell - und spektakulär - zu informieren. Also nicht der eingangs erwähnte König, aber doch die regierende sozialdemokratische Arbeiterpartei sah sich genötigt, auf diesem Wege die mehrfachen Purzelbäume der von ihr geführten Regierung dem Volk der Parteifunktionäre zu erklären und Diskussionsanleitungen zu geben. Angestrahlt über das Netz der Sender des Zweiten TV -Programms saßen in 33 Turn-, Eishockey- und Stadthallen im ganzen Land 15.000 Parteiarbeiter vor der Glotze, um die Direktiven taufrisch entgegenzunehmen.

Damit nun nicht jeder diese privaten, in der Regel für einen bestimmten Personenkreis produzierten Sendungen sehen kann, wird Bild und Ton bei der Ausstrahlung codiert. Nur die Empfangsgeräte, die mit dem entsprechenden De -Codiergerät ausgestattet sind, können Bild und Ton normal empfangen. Was nicht heißt, daß der Bildschirm bei den anderen dunkel bleibt. Regelmäßig häufen sich bei tagsüber ausgestrahlten codierten Sendungen die Beschwerden bei Fernsehen und Televerket, daß da wohl ein Sender nicht richtig funkioniere. Mit einem nichtcodierten Empfangsgerät ist ein Bild mit heftigem Schneegestöber und dazu eine Donald-Duck-Stimme zu empfangen. Sehen kann man in dem Geflimmere zumindest einige Schemen, verstehen aber absolut nichts.

Vor einem Jahr gab es um Ausstrahlungen der Direktvision einigen Ärger, als ein Medizinverlag codierte Programme über das Fernsehnetz sendete. Gedacht für Ärzte und Krankenhäuser, stießen auch besonders eifrige Fernsehkonsumenten, die selbst bei Sendepausen am Empfangsknopf drehten, auf die flimmrigen Operationsbilder und beschwerten sich prompt über derlei Zumutungen. Der Medizinverlag strahlt nun seine Informationssendungen über ein codiertes Satellitenprogramm aus.

„Es interessiert uns eigentlich überhaupt nicht, was gesendet wird“, behauptet Lennart Widlund vom Televerket. Bis jetzt wurde diese Großzügigkeit allerdings noch vor keine allzugroßen Probleme gestellt. Es gab die Übertragung von Sportveranstaltungen in Kinos, beispielsweise bei internationalen Boxwettkämpfen. Die Fans des heimatlichen Clubs konnten sich ansehen, was ihre Mannschaft einige hundert Kilometer weiter an Heldentaten vollbrachte.

Ja, und regelmäßig, irgendwann zwischen zwei und vier Uhr in der Nacht kann man Pferde in einem flimmernden Schneegestöber und dazu eine krächzende Donald-Duck-Stimme vernehmen. Zu solch nachtschlafener Zeit sendet die Pferdewette über Direktvision an die codierten Aufnahmegeräte in den Wettbüros im ganzen Land die aktuellen Trab- und Galopprennen, damit die Wettlustigen sich am nächsten Tag mit Hilfe der Videos ein genaues Bild von der Vortagesform ihrer Favoriten machen können.

Reinhard Wolff