Vom Nachttisch geräumt

■ Wolken.Heim: Elfriede Jelinek "Wolken.Heim."

Ein Donnerschlag. Aus Zitaten. Eine Anverwandlung. Kein klammheimlicher Hautwechsel. Eine demaskierende Maskerade mitten auf der Bühne unter Trommelwirbel und Schweinwerferlicht. Laut und grell. Elfriede Jelinek ist ihr „Wolken.Heim.“ geglückt wie wenigen etwas geglückt ist. Fast jedes Wort exakt einen Schritt neben der erhabenen Stelle, für die es von seinen Erfindern eingeplant war, mitten im Lächerlichen. Dabei scheint alles gerettet: der hohe Ton, die prächtige Geste, alles an seinem Ort, alles getroffen. Aber tödlich. Was einzeln herauszitiert sich ausnehmen könnte wie eine gelungene Wiederbelebung, ein großer Tanz der Vampire, daraus macht der Zusammenhang eine Travestie, eine blutige Burleske. Wo es am schönsten sich suhlen läßt im Vertrauten, im Schatten der deutschen Gedichte und Gedanken, in Klang und Gloria des deutschen Idealismus, genau da zeigt sie das Grauen mitten im Schönen. Jelinek zitiert Hölderlin und zeigt Heidegger und das KZ darin und all die Schrecken, die noch kommen werden. Der erhabene Muff, der alles erstickt. Nicht nur, was ihm sich widersetzt, sondern auch noch seine Nachfolger und Vorbilder, er vermieft Freund und Feind in den Schwaden seines ewiggestrigen Duktus. Eine gestampfte Prosa, die keinen Reiz hat, aber alles ihrem Rhythmus unterwirft. Sie fesselt, sie zwingt, aber sie entzieht sich dem Betrachter, dem Leser. Sie geht nicht übers Trommelfell und die zarten Gehörknöchelchen, sondern direkt hinein ins Gedärm, merzt alles aus, was sich zwischen Sender und Empfänger stellen könnte, schlägt durch bis ins Mark.

Jelineks Parodie ist nicht spitz und scharf, nicht raffiniert und fein. Sie schlägt den Gegner, indem sie ihn dort, wo er überlegen ist, noch stärker macht. Sie pumpt ihm seine Muskeln auf bis er platzt.

„Wir aber. Wir schauen mit offenen Augen und suchen immer nur uns. Wachsen und werden zum Wald.“ In der Nachbemerkung heißt es: „Die verwendeten Texte sind unter anderem von: Hölderlin, Hegel, Heidegger, Fichte, Kleist und aus den Briefen der RAF von 1973-1977.“

Elfriede Jelinek, Wolken.Heim, Steidl-Verlag, 57 Seiten, 16 DM