Uno muß sandinistische Prinzipien wahren

Das Staatswesen umzukrempeln, wird die Wahlsiegerin kaum ereichen, denn zur Verfassungsänderung fehlen ihr fünf Sitze im Parlament  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

„Das nicaraguanische Volk hat das Recht, sich zu bewaffnen, um seine Souveränität, seine Unabhängigkeit und seine revolutionären Errungenschaften zu verteidigen. Der Staat ist verpflichtet, das Volk anzuführen, zu organisieren und zu bewaffnen, um dieses Recht zu garantieren.“ Das verfügt Artikel 93 der nicaraguanischen Verfassung, mit der die künftige Rechtsregierung leben müssen wird. Zwar wird die Oppositionsallianz Uno am 25. April mit 51 Abgeordneten in das neue Parlament einziehen. Für Verfassungsänderungen ist aber eine Mehrheit von 56 der insgesamt 92 Sitze erforderlich. Für die völlige Aufhebung der Konstitution ist eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben. Selbst wenn Moises Hassan, Abgeordneter der mit 1,1 Prozent der Stimmen dritten politischen Kraft Nicaraguas, und Alfonso Smith von der Indianerorganisation Yatama mit der Uno stimmen, kann die Uno ohne Zustimmung der Sandinisten die meisten ihrer Wahlversprechen nicht einhalten. Denn die Grundprinzipien des Staatswesens, das die Uno umkrempeln will, haben Verfassungsrang. Auch der Wehrdienst, dessen Abschaffung der zugkräftigste Wahlschlager Violeta Chamorros war. Parteienpluralismus, Mischwirtschaft und Blockfreiheit, die Grundpfeiler des sandinistischen Experiments, sind im Artikel 5 der Verfassung verankert. Der Begriff Mischwirtschaft ist jedoch so schwammig formuliert, daß die Uno ohne Schwierigkeiten ihre soziale Marktwirtschaft verfassungsrechtlich abdecken kann. Zur Blockfreiheit hat sich Violeta Chamorro mittlerweile - entgegen ihres Wahlprogramms - bekannt.

Da die Uno aus einer gemeinsamen Initiative verschiedener Parteien für 17 Verfassungsänderungen entstanden ist, wird sie sich einiges einfallen lassen müssen. „Mit der Zeit werden Sandinisten abspringen und mit uns stimmen“, hofft Gilberto Cuadra, der Chef des Unternehmerverbandes. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß sich innerhalb der Uno bald Spaltungen auftun. Denn die 51 Sitze teilen sich die 14 Parteien des Bündnisses: Insgesamt 12 Sitze gehen an drei liberale Gruppen, weitere 12 an drei christlich-soziale Parteien, 11 Sitze bekommen drei konservative, 8 entfallen auf zwei sozialdemokratische Parteien, 6 auf zwei Linksparteien und eine Abspaltung der Zentralamerikanischen Unionspartei erhält zwei Sitze. Zumindest die Parteien, die über eine Gewerkschaftsbasis verfügen, werden bei arbeiterfeindlichen Projekten Probleme haben.

Der erste Machtkampf wird schon jetzt um den künftigen Parlamentspräsidenten ausgetragen. Zur Wahl stehen der Christdemokrat Adan Fletes, der vom Politischen Rat der Allianz gepusht wird, und Alfredo Cesar, ehemaliger Contra -Chef und derzeitiger Berater Violeta Chamorros, der als graue Eminenz hinter dem Thron gilt. Er wird auch als Wirtschaftsminister gehandelt - diesem Himmelfahrtskommando scheint er jedoch den Vorsitz der Legislative vorzuziehen.

Die FSLN wird insgesamt 39 Sitze haben, wovon einer auf den geschlagenen Präsidentschaftskandidaten Daniel Ortega entfällt, dem laut Verfassung automatisch ein Mandat zusteht. Die Auszählung der letzten 20 Prozent der Stimmen, hat für die Sandinisten zumindest ein erfreuliches Ergebnis gebracht: Die FSLN konnte in der Nordregion Las Segovias mit den wichtigen Provinzstädten Esteli und Ocotal eine knappe Mehrheit gewinnen und schließlich 5 von 9 Abgeordnetensitzen erobern. Weniger gut ging es in der V. Region Boaco/ Chontales, wo die Sandinisten keine einzige Gemeinde gewinnen konnten - nicht einmal in La Libertad, dem Geburtsort Ortegas. Villa Sandino machte seinem Namen keine Ehre und fegte die Sandinisten mit 5.746 zu 1.327 Stimmen vom Platz. In Camoapa wird es ein sandinistischer Gemeinderat mit neun von der Uno zu tun haben. Die Region war nie ein Hoffnungsgebiet des Sandinismus. Doch daß auch die Region VI. (Matagalpa/Jinotega) mit 105.000 zu 65.500 Stimmen an die Uno gehen würde, kam selbst für die Opposition überraschend. Städte im Norden, die jahrelang von den Contras heimgesucht worden waren, wie Jalapa oder Pueblo Nuevo, wählten sandinistisch, auch Condega hielt zu den Sandinisten. Leon, die erste Stadt, die einst von sandinistischen Guerilleros zum befreiten Gebiet erklärt werden konnte, blieb ihrem Ruf treu: allerdings mit weniger als tausend Stimmen Vorsprung. Das „heroische“ Matagalpa entpuppte sich als Hochburg der Uno. Was der Solidaritätsbewegung zu denken geben muß, ist das Abschneiden der FSLN in Hochburgen der Brigadenarbeit. Monimbo, der indianische Stadtteil von Masaya, ist mit dem Solidaritätsmekka Dietzenbach bei Frankfurt verschwistert und Pilgerort Tausender Revolutionstouristen gewesen. An den Urnen haben die Einwohner jedoch nein zur Revolution gesagt. Quetzalguaque bei Leon, wo britische Brigaden jahrelang zugange waren, hat Uno gewählt. Und in San Rafael del Sur, Partnerstadt des Berliner Bezirks Kreuzberg, haben sich 70 Prozent für die Verbündeten der Contras entschieden.