Anschlag auf Kiechle abgeblasen

■ RAF bekennt sich zum Angriff auf den Bundeslandwirtschaftsminister / Aktion gestoppt

Berlin (taz) - Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle sollte offenbar das Opfer eines RAF-Anschlages werden. Das geht aus zwei Bekennerschreiben eines „Kommandos Juliane Plambeck“ hervor, die gestern bei den Nachrichtenagenturen 'ap‘ und 'dpa‘ eingingen. In dem ersten - mit „Rote Armee Fraktion“ unterzeichneten - Schreiben vom 2. März heißt es: „Heute haben wir mit dem Kommando Juliane Plambeck den Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle angegriffen.“ Der Brief war am Freitag aufgegeben worden. In einem zweiten Schreiben vom Samstag, das gestern zeitgleich bei den Bonner Agenturen eintraf, erklären die Absender: „Wir haben das Ziel des Angriffs gegen Kiechle nicht erreicht.“ Die Aktion sei abgebrochen worden, „durch ein nicht kalkulierbares Ereignis wäre es bei der geplanten Durchführung zu einer Gefährdung Unbeteiligter gekommen“. Das erste Bekennerschreiben wäre wegen eines „Abstimmungsfehlers“ bereits vor der Aktion abgeschickt worden. Beide Schreiben wurden gestern von den Sicherheitsbehörden als echt eingeschätzt. Sie lägen auf der RAF-Linie. Als weiterer Beleg wird auch die Namensgebung des Kommandos gewertet. Die 28jährige Juliane Plambeck, mutmaßliches Mitglied der RAF, war zusammen mit Wolfgang Beer am 25. Juli 1980 in der Nähe von Stuttgart bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Unter dem Namen „Kommando Wolfgang Beer“ hatte sich Anfang Dezember 1989 die RAF zu dem Anschlag am 30. November bekannt, bei dem der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, ermordet wurde. Der Anschlag zielte zum ersten Mal auf einen Bundesminister. Ignaz Kiechle hielt sich am Wochenende - dem mutmaßlichen Zeitpunkt des geplanten Anschlages - auf seinem Bauernhof im Allgäu auf. Fortsetzung Seite 2

Kommentar Seite 10

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Dort feierte er seinen 60. Geburtstag. Kiechle stehe für eine „kontinuierliche destruktive Bundespolitik innerhalb der westeuropäischen Formierung“, schrieben die Verfasser in dem mit RAF-Signet (fünfzackiger Stern mit Maschinenpistole) unterzeichneten ersten Selbstbezichtigungsschreiben. „Kiechle und die Bonner Strategen“ wären im Verbund mit der „deutsch-französichen Kooperation“ dafür verantwortlich, die Produktionsabläufe „in Europa und im Trikont“ umfassend zu bestimmen. Sie wären es, „die ganze Volkswirtschaften in

existentielles Chaos stürzen“. Durch die veränderten Bedingungen in Osteuropa „hat dieses faschistische System neben den Ländern im Süden ein neues Opfer des kapitalistischen Diktats gefunden“. Angesichts dieser osteuropäischen Entwicklungen sei es für den „gesamten Widerstand unabdingbare Notwendigkeit, die veränderte Situation zu analysieren und zu einem forcierten Aktionismus gegen das System überzugehen“. Die Verfasser halten auch an der Forderung nach einem Schulterschluß der militanten Gruppen fest: „Die revolutionäre Praxis muß sich dabei an den unterschiedlichen Widerstandsstrukturen, dem eigenen Selbstverständnis orientieren, aber als eine Front zusammen

setzen“. Wie in früheren Bekennerschreiben der RAF wird auch jetzt die Zusammenlegung der politischen Gefangenen gefordert: „Der Kampf um die Zusammenlegung der politischen Gefangenen in Spanien, hier und weltweit, muß für die gesamte revolutionäre Bewegung Orientierung sein.“

Wolfgang Gast