Nicaragua-Solidarität: Halbe Kraft vorrück

■ Aus der Wahlniederlage der Sandinos gehen die Soli-Bewegungen lädiert, aber aufrecht in den politischen Alltag über / Weiter für die Revolution, aber wie?

Reichlich zerbeult, aber politisch gefestigt und frisch für neue Taten, präsentiert sich der Verein Städtesolidarität Bremen-Corinto zehn Tage nach der Wahlniederlage der Sandinisten in Nicaragua. Der ersten, unmittelbaren Enttäuschung ist eine Analyse

über die Ursachen der Wahlniederlage gefolgt. Viele Gespräche hätten in den letzten Tagen unter den SolidaritätskämpferInnen stattgefunden, der Trauer und Wut ist eine nüchterne Stimmung gewichen.

„Die US-Strategie des Krieges

niederer Intensität“ (Mijal Trier) habe den revolutionären Elan der Nicaraguaner gelähmt. Die Kriegsmüdigkeit und eine tiefe Sehnsucht nach wirtschaftlicher Unterstützung hätten viele WählerInnen in die Arme des UNO-Bündnisses getrieben. „Das war aber keine Abstimmung gegen die Revolution“, ist sich Mijal Trier sicher. „Die WählerInnen wußten eben, daß mit einer UNO-Regierung die Friedensbedingungen leichter und schneller zu erreichen sein würden als mit der sandinistischen. Deshalb sei die Wahlentscheidung „keine analytische Entscheidung“ (Wolfgang Rieke), sondern eine, die von der Fiktion lebe, eine Alternative zu den Sandinisten nach ihrem Scheitern jederzeit abwählen zu können.

Als am Montag vor einer Woche die ersten Trendmeldungen über die Wahl durch das Radio gemeldet wurden, haute es die Nica -KämpferInnen erst einmal um. Mit Wahlmanipulationen und allerlei taktischen Schachzügen der „Gegenseite“ hatte man gerechnet, nicht aber mit der einfachen, klaren Niederlage. „Wir hatten offensichtlich ein unrealistisches Bild“, formulierte Mijal Trier ihre emotionale Niedergeschlagenheit selbstkritisch. Für sie wie für viele andere Nicaragua -Engagierten ist die Solidaritätspolitik ein Stück persönliche, politische Biographie. „Nicaragua, das bedeutete für uns auch immer ein Stück Hoffnung.“

Weitermachen wollen aber alle, nur wie, ist derzeit fraglich. Ein großer Teil der Arbeit fällt allein durch die Weiterführung der laufenden Projekte an. Die KFZ-Werkstatt, die der Soliverein zusammen mit einer Kölner Gruppe in Corinto koordiniert und aufbaut, wird erst einmal weiter unterstützt. Was allerdings passieren soll, wenn die Werkstatt 1992 in kommunalen Besitz übergehen wird, ist fraglich. „Der neue Bürgermeister war bereits unter Somoza Bürgermeister. mit dem arbeiten wir auf keinen Fall zusam

men.“

Fraglich ist die Zukunft des Kaffeeprojekts Tupac-Amaru, das für den Vertrieb des revolutionären Kaffees in Bremen verantwortlich war. Tupac Amaru ist eins von neun Geselllschafterprojekten der Mitca-Kaffee GmbH, die die Bundesrepublik mit den Sandinobohnen belieferten. Charly Kowalczyk, Mitbegründer der Gruppe: „Wir haben ungefähr noch vier Tonnen Kaffee, den wir im voraus finanziert haben, die müssen wir in jedem Fall noch verkaufen.“ Das Geld , je

nach Weltmarktpreis zwischen 60.000 und 70.000 Mark für sechs Tonnen (der jährliche Bremer Solikaffeekonsum), ist längst in sandinistische Projekte geflossen. Auch in dieser Gruppe wird heftig über die politische Zukunft diskutiert. „Es ist für uns schwer, den Bogen vom Modell Nicaragua zum Projekt Kaffeekooperative zu schlagen“, formuliert er den Diskussionsstand bei Tupac-Amaru. Wie es mit der politischen Arbeit weitergehen soll, weiß auch er derzeit nicht. Markus Daschne