piwik no script img

„Bayern-Stasi“ überwacht Naturschützer

Polizeibeamte in Zivil bespitzeln Gründungsveranstaltung einer Bürgerinitiative gegen Autobahnbau Protokoll wurde dem Bund Naturschutz zugespielt / UmweltschützerInnen wehren sich gegen Schnüffelangriff  ■  Aus München Luitgard Koch

Polizeikommissar Fichtl aus der Oberpfalz notierte eifrig: „An der Versammlung nahmen ca. 180 Personen teil. Es handelte sich dabei überwiegend um junge Mitglieder von Naturschutz- und Vogelschutzverbänden sowie um vereinzelte Vertreter von Landjugend, Land- und Forstwirtschaft, den Grünen usw.“ Sein zwei Seiten langes heimliches Protokoll über die Gründungsversammlung der „Aktionsgemeinschaft zum Schutz der Oberpfälzer Heimat vor der A 6“ am 14. Februar vergangenen Jahres wurde jetzt den Mitgliedern des BUND Naturschutz zugespielt.

Bereits früher wurden WAA-GegnerInnen in Bayern immer wieder überwacht - Verfassungschützer schnüffelten beim Einwohnermeldeamt um Fotos von WAA-Gegnern mit der Paßdatei zu vergleichen, Zivis observierten Gründungsveranstaltungen von Anti-WAA-Bürgerinitiativen -, und MülldeponiegegnerInnen wurden in der Terroristendatei APIS gespeichert. Nun zeigt der bekanntgewordene Fall erneut, daß der Freistaat nicht davor zurückschreckt, seine engagierten BürgerInnen zu überwachen.

Detailliert beschreibt das Polizeiprotokoll den Verlauf der Veranstaltung und die Pläne der Aktionsgemeinschaft gegen den Autobahnbau. Namentlich werden die RednerInnen aufgeführt. Einen ganzen Aktenordner mit der Aufschrift „A 6“ legte die Weidener Polizeidirektion an. Dort liegt auch das Original der Schnüffelaktion.

„Die Polizei hat hier rechtswidrig gehandelt und gegen das Versammlungsgesetz verstoßen“, stellte der Nürnberger Rechtsanwalt Peter Rottner fest. Der Anwalt, Vertreter der Jugendorganisation des Bund Naturschutz (JBN), betonte, daß die Beamten nach §12 des Versammlungsgesetzes hätten offen auftreten müssen. „Die Überwachung durch die Polizei ist ein Skandal ersten Ranges und stellt im Grunde den Rechtsstaat in Frage“, bekräftigte JBN-Mitglied Christian Schwägerl. Während die CSU im Osten mit Freiheitsslogans Wahlwerbung betreibe, werde im eigenen Land im Honecker-Stil bespitzelt. „Bayern-Stasi bei öffentlichen Versammlungen, ist das die Bürgernähe der CSU“, fragen sich nun die Mitglieder der größten bayerischen Naturschutzorganisation für Jugendliche. Keine Probleme mit diesem Rechtsbruch scheint dagegen der zuständige Weidener Polizeioberrat, Josef Wittman, zu haben. „Wir interessieren uns für die Diskussion über den Weiterbau der A 6 in unserem Schutzbereich“, begründete der Polizeichef den Einsatz der Zivilfahnder. Schließlich müsse die Polizei wissen, ob Demonstrationen geplant werden. Gegen ihn hat der JBN bereits eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Die Spitzelaffäre wurde gestern auch im Rechtsausschuß des Bayerischen Landtag von Grünen und SPD heftig kritisiert. CSU-Staatssekretär, Günther Beckstein verteidigte den verdeckten Polizeieinsatz und erklärte, ausschlaggebend für die Bespitzelungskaktion sei, was die Polizei befürchte. „Wenn vorher schon bekannt gewesen wäre, was bei der Versammlung herauskommt, dann wäre kein polizeilicher Anlaß gewesen dort tätig zu werden“, redete der Nürnberger einer Totalüberwachung das Wort. „Das ist das typische Verhalten einer Geheimpolizei“, sagte dagegen der SPD-Landtagsabgeordnete Klaus Warnecke.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen