Blut und Erde

■ Die Hamburger Brachial-Popband „Die Erde“ im Römer

Es ist eine Nebensächlichkeit, aber kleine Freundlichkeiten verdienen eine Erwähnung. Nach dem ersten Stück von Die Erde im Römer begrüßte Sänger Tobias Gruben zunächst das Publikum. Das ist längst nicht mehr üblich. Wenig später kamen dann allerdings ganz andere Worte über Grubens Lippen. „Ich verbrenne bei lebendigem Fleisch“, wußte er mitzuteilen und das paßte dann schon besser zum rüden Musikgut, das er und seine drei Mitspieler darboten. Baß-und gitarrendominiert präsentierte sich das Hamburger Quartett (Johann Popp, dr; Tobias Levin, git; Horst Petersen, b), dessen letzte Langspielplatte vom Einstürzende Neubauten -Mitglied F.M. Einheit produziert wurde. Diesen Einfluß konnte Die Erde nicht verbergen.

Doch auf einen billigen Abklatsch ließen sich die Erdlinge zum Glück nicht ein. Immer wieder klang ihre Eigenständigkeit durch, Grubens hinter-und tief

gründige Texte thronten wie ein Baldachin über den gehackten Passagen von Baß und Gitarre. Schlagzeuger Popp vermochte da nicht ganz mitzuhalten. Zu pappig klatschten die Schlagzeugrhythmen von der Bühne, mitunter stellte sich der Eindruck ein, daß ein Drumcomputer die Sache mindestens genauso gut erledigt hätte.

Die Erde vermochte jedenfalls über weite Strecken Spannung zu erzeugen. Die Texte über eine Vater-Sohn -Beziehung oder der sinister-ökologisch gefärbte Song „Laub“ über einen Menschen, der sich in einen Baum verwandelt, standen im Widerspruch zu den metallisch düsteren Klängen, denen in manchen Sequenzen sphärische Töne vom Band unterlegt waren.

Doch so bodenständig, wie der Name der Gruppe vielleicht vermuten ließ, gerierten sich die Vier nicht. Eine gewisse Unsicherheit lag in der Luft, die nicht genau zu fassen war. Zuerst hatte das

Schlagzeug einen Defekt, dann ließen sich die Herren Zigaretten aus dem Publikum reichen, um hinterher nach eigener Aussage „Blut zu husten“. „Das ist die Hölle“ hatte Gruben noch gerade ins Auditorium gehechelt, und wenig später sah er sich außerstande, den Zugabensong Graben vorzutragen. Als ihn seine Mitspieler aufforderten, unmißverständlich entweder die Bühne oder die Garderobe anzusteuern, entschied er sich kurzerhand für das Aufhören. Das Musikergeschäft ist hart, offensichtlich besonders hart, wenn sich die Künstler so bedingungslos mit ihrer message identifizieren.

Die Erde machte ihrem Namen in dieser Hinsicht alle Ehre. Sie präsentierte sich vielschichtig, verletzbar und immer wieder innovativ. Das läßt für die Zukunft einiges erwarten, aber nur, wenn der blutige Husten nicht bei jedem Auftritt zu Selbstverständlichkeit wird.

Cool J.F