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„Zeitpunkte“ werden kaltgestellt

■ SFB-Frauenmagazin soll der neuen Hörfunkreform zum Opfer fallen

Letztes Jahr wurden ihre „Leistungen, die die Öffentlichkeit für die Fragen der Gleichberechtigung sensibilisiert haben“ von der Westberliner Landesfrauenbeauftragten noch mit einem Preis gewürdigt, dieses Jahr will man ihnen den Garaus machen: Zeitpunkte, das Frauenhörfunkmagazin des SFB soll der neuerlichen Wellenreform geopfert werden. Der Redaktion der europaweit einzigen tagesaktuellen Frauensendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk droht der Verlust ihrer redaktionellen Autonomie. Außerdem soll ihr Etat um mindestens die Hälfte gekürzt werden.

Ab 1. Mai soll die Sendung, die bisher täglich von 10.05 bis 11.00 Uhr auf der „Rentnerwelle“ SFB 1 zu hören ist, auf den wesentlich flotteren SFB 2 verschoben werden. Als „Frischblutzufuhr“ für die Morgenstrecke des „Stadtradio“. SFB 2, vor drei Jahren zur „Turnschuhwelle“ (70% Musik:30% Wort) umgestylt, um die Hörerverluste durch Rias 2 wettzumachen, soll wieder mehr zu Wort kommen. Zunächst eigentlich keine schlechte Ausgangslage für die Zeitpunkte. Waren sie schließlich sieben Jahre lang beim 2. Programm beheimatet, bis sie 1987 nach SFB 1 überwechseln mußten, weil sich die Sendung hartnäckig der „Philosophie“ der „Durchhörbarkeit“, genauer: des Weghörens, widersetzte. Doch der Pferdefuß bei der Rückkehr auf die flotte zweite Welle: Die Redaktion, die bisher selbstständig ihre Beiträge auswählen und ihre Moderatorinnen bestimmen konnte, verliert ihre Autonomie. Nach dem neuen Konzept sollen die Zeitpunkte täglich ein bis zwei Beiträge in das dreistündige Morgenprogramm einspeisen und im Wechsel mit den anderen Redaktionen (Lokales, Kultur) redaktionell betreut und moderiert werden. Konflikte und Unmöglichkeiten sind vorprogrammiert. Mensch stelle sich nur vor, zum Thema sexueller Mißbrauch, Vergewaltigung in der Ehe oder Wechseljahre steht ein Live-Gespräch mit Gästinnen auf dem Programm und im Studio sitzt der jung-dynamische Moderator, bekannt für seine flotten Sprüche. Gut, dann wird das Thema eben auf den Tag verschoben, an dem eine Moderatorin auf dem Sendeplan steht. Was ist dann aber mit der Aktualität? Die Zeitpunkte-Frauen sind stolz darauf - und mit Recht schnell auf Ereignisse zu reagieren. Dann aber heißt es wieder: Frauen können nicht aktuell arbeiten.

Ferner ist da noch die Etatkürzung. Über die Hälfte will man der Redaktion streichen. Pech für den großen Stamm der Freien. Entweder sie arbeiten in Zukunft für noch weniger Geld, oder sie verkaufen ihre Beiträge eben woanders. Man hat sie getröstet, sie könnten ihre Sachen ja den ganzen Tag überall einstreuen. Aber dann ist das Profil, die Wiederauffindbarkeit des Programms weg. Und die StammhörerInnenschaft auch, die sich Zeitpunkte in ihren elf Sendejahren durch dezidierte feministische Berichterstattung, die sich vor heißen Eisen nicht scheut und über die „klassischen Frauenthemen“ weit hinausgeht, erobert und über den Wellenwechsel gerettet hat. Sie reicht weit über West-Berlin in die DDR hinein. Und die Hörerin, die neulich aus einer der Trabantensiedlungen um Ost-Berlin herum in der Redaktion anrief, sich bedankte und erklärte, Zeitpunkte hätte ihr geholfen, durch das öde Babyjahr zu kommen, ist kein Einzelfall.

Die Zeitpunkte müssen also bleiben, denn mit ihnen verschwände ein wichtiger Pfeiler feministischer Medienarbeit in diesem Land. Und das zu einer Zeit, in der in der DDR zum ersten Mal ein Frauenfunk eingerichtet werden soll!

Eineinhalb Stunden Sendezeit pro Tag, einen festen Sendeplatz, Redaktionsautonomie und keine Etatkürzungen, das verlangen nicht nur die Zeitpunkte-Frauen. Inzwischen formiert sich auch bereits wieder eine Hörerinneninitiative, die sich ihr Lieblingsprogramm nicht klauen lassen will. „Hände weg von den Zeitpunkten“ heißt es in einem Aufruf, mit dem die Westberliner FrauenfrAktion Unterschriften sammelt. Diese sollen gemeinsam dem SFB -Rundfunkrat übergeben werden, der sich am 12. März um 16.30 Uhr im Sender trifft; um dort seine endgültige Entscheidung zu fällen. Die Listen können vorher der FrauenfrAktion zugeschickt oder direkt am 12. März beim SFB abgegeben werden.

Ulrike Helwerth

Adresse: FrauenfrAktion, Ansbacher Str. 63, 1000 Berlin 30

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