Sprache der Bomben in Spanien

■ Paketbombe abgefangen / ETA-Fluchtversuch vereitelt / Anschlagwelle nach Dialogangebot der Regierung

Aus Madrid Antje Bauer

Es war ein abenteuerlicher Plan, den die ETA da ausgeheckt hatte. Der angebliche Anführer des „Kommandos Madrid“, Jose Luis Munoz Rodriguez, und vier weitere ETA-Mitglieder, alle in Sevilla im Gefängnis, sollten von einem als Rot-Kreuz -Vehikel getarnten Hubschrauber aus dem Knast geflogen, in ein Versteck in die Provinz Extremadura gebracht und ein paar Tage später per Schlauchboot nach Portugal gefahren werden. Doch vor einer Woche wurden vier angebliche Etarras, die den Plan ausführen sollten, festgenommen, das Versteck ausgehoben und ein Lager mit Fluchtzubehör entdeckt.

In der Nacht zum Sonntag wurde eine Granate gegen die Kaserne im baskischen Ort Amorebieta geworfen, ohne zu explodieren. Es war der siebte Anschlag innerhalb einer Woche. Der erste, eine Briefbombe, kostete den Vorsitzenden des obersten Gerichtshofes, der Audiencia Nacional in Madrid, Fernando de Mateo, beide Hände und ein Auge. Der dritte Anschlag, ebenfalls eine Briefbombe, explodierte „aus Versehen“ in den Händen einer Postangestellten; auch sie könnte ein Auge verlieren. Beim fünften Anschlag schossen zwei Jugendliche in San Sebastian auf einen Reserveleutnant und verletzten ihn schwer. Drei von fünf Briefbomben wurden rechtzeitig entschärft; die vorerst letzte wurde am Dienstag in Madrid abgefangen, ihr Adressat war Innenminister Jose Luis Corcuera.

Sowohl die Machart der Briefbomben als auch die Häufung der Anschläge deuten auf die Urheberschaft der ETA hin - auch wenn sich diese bislang nicht dazu bekannt hat; aufgrund von Kommunikationsproblemen zwischen den Kommandos und der im Untergrund lebenden Führung in Südfrankreich pflegen sich Bekennerbriefe zu verzögern.

Die Anschlagswelle begann wenige Tage, nachdem Innenminister Corcuera eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Regierung und ETA in Aussicht gestellt hatte, falls diese einen sechsmonatigen Waffenstillstand einhalte. Kurz zuvor hatte die ETA den Industriellen Adolfo Villoslada freigelassen, den sie knapp drei Monate zuvor entführt hatte, und so den Weg für neue Verhandlungen freigemacht. Corcueras Ankündigung war nicht nur von den baskischen Parteien begrüßt, sondern vor allem von der Koalition „Herri Batasuna“ (HB), die der ETA nahesteht, erfreut aufgegriffen worden. HB zeigt seit geraumer Zeit gesteigertes Interesse an einer Dialoglösung für das Baskenland, die ihre politische Bedeutung stärken würde. Nach den Wahlen im vergangenen Oktober hatten sich die Abgeordneten von HB zum ersten Mal bereitgefunden, sich vereidigen zu lassen, um (gelegentlich) an den Madrider Parlamentssitzungen teilzunehmen und von dieser Absicht nicht abgelassen, selbst nachdem bei einem Anschlag einer der Abgeordneten, Josu Muguruza, erschossen wurde. Aufgrund eines Zusatzes zum Vereidigungsschwur, den sie sprachen, wurden sie allerdings bislang nicht zum Parlament zugelassen. Tage vor Corcueras Ankündigung hatten Mitglieder von HB auf einer geheimen Pressekonferenz in Paris einen bilateralen Waffenstillstand gefordert, und Parteisprecher Jon Idigoras hatte erklärt, dies sei ein guter Augenblick, um Kontakte zwischen Regierung und ETA aufzunehmen. Wenige Stunden danach hatte der Richter die Briefbombe erhalten, und Jon Idigoras mußte sich blamieren, indem er erklärte, der Anschlag sei genauso bedauerlich wie die Sturheit der Regierung. Obwohl Herri Batasuna einmal mehr Disziplin gegenüber der bewaffneten Gruppe bewiesen hat, sind doch die Risse deutlich geworden. Politische Beobachter interpretieren die Anschlagswelle als Versuch des harten Flügels der ETA, die Verhandlungen zu torpedieren oder zumindest von einer Position der Stärke aus zu führen.

Darüber hinaus soll der Terror die Fronten, auch in den Knästen, verhärten. Just in den letzten Monaten war das Justizministerium dazu übergegangen, einigen gefangenen Etarras Hafterleichterungen zuzubilligen und damit den Anreiz zum Ausscheren aus dem ideologischen Verbund zu stärken. Die Absage der Gefangenen vom bewaffneten Kampf will die ETA aber auf jeden Fall vermeiden.