Der gemeinsame Weg ist wichtig

Ursula Engelen-Kefer (SPD), Vizepräsidentin der Bundesanstalt für Arbeit, über die „Fraueninitiative 90“  ■ I N T E R V I E W

Letzte Woche haben sich prominente Frauen - von Rita Süssmuth bis Waltraud Schoppe - zu einer bisher einzigartigen, großen Frauenkoalition, der „Fraueninitiative 90“, zusammengeschlossen. Ihr Aufruf richtet sich unter anderem gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. „Gerade in Zeiten des Umbruchs sind Besonnenheit, Umsicht und Vernunft erforderlich, um Frieden zu wahren und zu sichern“, heißt es darin.

taz: Ist die „Fraueninitiative 90“ zum ersten oder auch zum letzten Mal zusammen aufgetreten?

Ursula Engelen-Kefer: Nein, das war erst mal unsere Auftaktveranstaltung, und weitere Aktionen werden folgen. Wir wollen uns vor allem verstärkt in die öffentliche Diskussion einmischen und aufklären. Die politischen Veränderungen in Osteuropa, das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten, die internationale Wanderung von Arbeitskräften, die Entwicklung im Europäischen Binnenmarkt: all dies kann zu sozialen Ungerechtigkeiten führen, verunsichert die Menschen, und die daraus entstehenden Ängste haben ja teilweise zu den sehr rechtsextremen Wahlentscheidungen geführt. Wir wenden uns deshalb vor allem an die Medien, um die Öffentlichkeit für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren.

Haben Sie konkrete Aktionen geplant?

Uns geht es primär darum, diesen Aufruf so breit wie möglich zu streuen und viele Sympathisantinnen zu gewinnen. Und wir wollen mit den Frauen in der DDR Kontakt aufnehmen und hoffen, daß sich auch dort die Frauen zu einem solchen Bündnis zusammenschließen.

Das parteipolitische Spektrum der großen Frauenkoalition reicht von der CDU bis zu den Grünen. Wie finden Sie einen Konsens, wenn es um Resolutionen oder ähnliches geht?

Wir müssen versuchen in den Diskussionen die Grenzen abzustecken, uns fragen, wie weit können alle gemeinsam gehen. Und wir bemühen uns alle diese Grenzen nicht zu überschreiten, denn sonst würde die ein oder andere Frau das Bündnis verlassen. Der gemeinsame Weg und das, was damit bewirkt werden soll, ist uns wichtig.

Frauen dürfen also nicht über die Stränge schlagen und keine allzu provozierenden politischen Forderungen stellen.

Es geht nicht darum, daß Frauen nicht über die Stränge schlagen dürfen, sondern daß sie ge meinsam etwas voranbringen wollen.

Wollen sich die Frauen in die deutsch-deutsche Verfassungsdiskussion einmischen?

Es ist der Wunsch dieser Initiative, nichts auf die DDR aufzupfropfen, was die Menschen dort nicht wollen. Das Zusammenwachsen soll in partnerschaftlichem Miteinander geschehen. In einem Passus unseres Aufrufs heißt es ja: Sinn und Zweck dieser Initiative ist es, zu verhindern, daß den sozial Schwachen erst dann geholfen wird, wenn unsere Vorstellungen ihnen aufgezwungen worden sind. Ich glaube, daß dies für eine rechtliche Grundlegung des Zusammenschlusses ein Leitmaßstab sein muß. Und außerdem gab es die Forderungen, daß - wenn darüber entschieden wird, wie das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten geschehen soll - Frauen in den dafür zuständigen Gremien gleichgewichtig vertreten sein sollen.

Stichwort Paragraph 218. Es ist ja wohl nicht damit zu rechnen, daß bei einem Anschluß die Fri stenlösung der DDR übernommen wird.

Das Frauenbündnis will ja gerade verhindern, daß unsere Vorstellungen von A bis Z den Menschen in der DDR übergestülpt werden. Das gilt gerade für eine gesellschaftspolitisch so wichtige Frage. Beziehungsweise sollte man sich überlegen, inwieweit in der DDR nicht vielleicht Bedingungen vorherrschen, die so fortschrittlich sind, daß sie auch für die Bundesrepublik gelten könnten.

Interview: Michaela Eck