Senatskrach um Bremer Zukunftsperspektiven

■ Uhl-Antwort auf DDR-Papier des Wirtschaftsressorts: Wirtschaftspolitik eignet sich höchstens für Werbezwecke / Wedemeier: „Selbstprofilierung“

Zwei kräftige Watschen vom Bürgermeister Wedemeier setzte es gestern für Bremens neue Sozialsenatorin, Sabine Uhl. Erstens, so verlautbarte Klaus Wedemeier aus Bayern, soll Uhl es künftig unterlassen, öffentlich über Bremens Zukunft nach der deutsch-deutschen Vereinigung nachzudenken und zweitens die Selbstprofilierung einstellen. In Wedemeier -Sprache klingt das so: „Öffentliche Stellungnahmen sind nach Auffassung des Bürgermeisters nicht produktiv..., sie tragen allenfalls zur Selbstprofilierung bei.“

Profiliert hatte sich Sabine Uhl mit einem tags zuvor öffentlich gewordenen Papier. Überschrift: „Bremen 2000, einige Bemerkungen zum 'Haller-Papier‘ und darüber hinaus“. Mit der achtseitigen Stellungnahme eröffnet Uhl nach Jahren relativen Burgfriedens einen heftigen Clinch zwischen Sozial - und Wirtschaftsressort. Aufgekündigt hatte diesen Frieden allerdings vor vierzehn Tagen der Beckmeyer-Chefdenker und Stellvertreter Frank Haller.

Der hatte für den Fall der deutschen Vereinigung gegen „unproduktive Kosten“, eine sanfte Energiepolitik und die „vorsich

tige Flughafenplanung“ polemisiert und befürchtet, daß Bremen in eine wirtschaftliche Randlage gedrängt werde. Alles falsch, meint die Sozialsenatorin und glaubt mit dem Ifo-Institut: „Nordlichter schließen auf.“

Hinter Hallers Papier vermutet Uhl die Strategie, die „sozialen und ökologischen Standards“ in Bremen nach unten zu drücken. Originalton Uhl: „Haller gibt lieber 50 Millionen für ein Kongreßzentrum zuviel aus und möchte dafür das Investitionsprogramm im Kindergartenbereich für fünf Jahre (auch 50 Millionen) streichen.“ Besonders ärgert sich die Sozialsenatorin über Hallers Begriff „unproduktive Kosten.“ Damit werde die Gleichberechtigung der Frau als „nebensächlich“ bezeichnet und schwache gesellschaftliche Gruppen ausgegrenzt.

Die Senatorin beschränkt sich aber nicht nur darauf, ihre Ressortinteressen zu verteidigen, sondern nimmt sich auch gleich die strukturpolitischen Vorstellungen des Kollegen Haller aufs Korn: „Hallers Forderung, den Flughafen und den Straßenbau weiter zu forcieren, berücksichtigt keinen angestrebten Strukturwandel im Verkehrssektor und

nimmmt nicht zur Kenntnis, daß der Flughafen mitten in der Stadt liegt.“ Und in Sachen Energiepolitik gibt die neue Senatorin dem altgedienten Senatsdirektor glatt die Note ungenügend und kritisiert indirekt gleichzeitig die zögerliche Umsetzung einer ande

ren Energiepolitik in Bremen: „Hallers Anmerkungen sind nicht Stand der Fachdiskussion.“ Und: „Das Saarland und auch andere Städte machen uns vor, daß man durch eine sinnvolle ökologisch orientierte Energiepolitik die endogene (innere, d.Red.) Ent

wicklung eines Landes fördern kann.“ Auf Haller, der den Bericht des Energiebeirates auf den Müllhaufen der Bremer Geschichte werfen möchte, antwortet Uhl: „Der Endbericht des Energiebeirates wäre ein wichtiger Exportbeitrag Bremens für

die DDR.“

Sabine Uhl scheut auch nicht davor zurück, die vom Kollegen Beckmeyer immer so hochgepriesene Bremer Wirtschaftsentwicklung kräftig zu zauseln: „Aus dem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes in Bremen und dem zeitgleichen WAP-Beginn eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu konstruieren ist für Werbezwecke erlaubt, zur Analyse realer Wirtschaftspolitik ungeeignet.“ Und an anderer Stelle fährt Uhl einen kräftigen Angriff gegen den bei Beckmeyer angesiedelten Ausschuß für Bremer Wirtschaftsforschung, der lieber deutsch-deutsche „Problemskizzen“ vertiefen solle. „Legitimationsrechnungen für den Stadionausbau oder die sogenannten Sekundäreffekte eines zu teuren Veranstaltungszentrums müßten dann eine Zeitlang zurückstehen.“

Beim Wirtschaftssenator gab man sich gestern fast sprachlos. Getreu dem Wedemeier Motto: „Maul halten“ fiel Uwe Beckmeyer kein Wort zur Verteidigung seines obersten Beamten ein. Er ließ lediglich mitteilen, er wolle sich nicht am „öffentlichen Fabulieren“ beteiligen.

Holger Bruns-Kösters