Kindergärten bleiben heute dicht

■ Personalrat ruft 800 ErzieherInnen zu „spontaner Personalversammlung“ auf / Rüffel von Uhl

Bremer Kindertagesstätten bleiben heute geschlossen. Bis zu 800 Bremer ErzieherInnen fehlen ausnahmsweise an ihren Arbeitsplätzen. Die Mehrheit der 13.000 Kita-Kinder muß zu Hause bleiben, nur eine kleine Minderheit wird in den gewohnten Gruppenräumen durch Notdienste betreut. Alle übrigen Kita-KollegInnen hat der Personalrat „spontan und kurzfristig“ zu einer Personalversammlung in die Kesselhalle des Schlachthofs eingeladen. Auf der Tagesordnung: Unzumutbare Arbeitsbedingungen, mageres Gehalt und fehlendes Personal, der Zusammenhang aller drei Faktoren, und was man dagegen tun kann.

Gute Tips und nachahmenswerte Anregungen erhoffen sich die Bremer ErzieherInnen dabei vor allem von einer Delegation ihrer Berliner KollegInnen: Seit acht Wochen wird in Berlin kita-gestreikt, wachsen 40.000 kleine BerlinerInnen öffentlich unerzogen vor sich hin und auf. Ziel der hauptberuflichen Berliner Nachwuchs-BetreuerInnen: Mehr Geld, mehr Personal, größere Kitas, kleinere Kitagruppen.

„Weitere Handlungsschritte“ und „aufeinander aufbauende Aktionen“ lautet auch in Bremen der letzte Tagesordnungspunkt der heutigen Personalversammlung. Begründung im Einladungs-Flugblatt: „Was wir jetzt nicht schaffen, schaffen wir in absehbarer Zeit nicht mehr.“ Zu schaffen ist für Personalratsmitglied Cornelius Kopf vor allem

eine bessere Bezahlung: „Vom durchsschnittlichen Anfangsgehalt einer Erzieherin von rund 1600 Mark kann man heute kaum noch leben.“ Wegen des Hungerlohns seien freie Stellen schon jetzt kaum noch zu besetzen.

Mit einem „heißen Herbst“ wollen die Kita-MitarbeiterInnen außerdem für mehr Tempo beim Bremer Kindergarten-Programm sorgen: Von den angekündigten Kita-An-und Neubauten sei bislang ebensowenig zu sehen wie vom zusätzlichen Personal. Die Konsequenz wird rund 3.000 Bremer Eltern in wenigen Wochen präsentiert: in Form einer Absage ihres Kita -Platzbegehrens.

Bremens neue Sozialsenatorin, Sabine Uhl, reagierte gestern ausgesprochen angefaßt auf die „spontan einberufene Personalversammlung“. Schriftlich wies Uhl den Leiter des Amts für Soziale Dienste, Hans Leppin, an, seinen „Personalräten mit allem Nachdruck deutlich zu machen“, daß durch die ungenehmigte Versammlung „rechtswidrig dienstliche Interessen verletzt“ werden. Ein Grund für die „Kurzfristigkeit der Veranstaltung“ sei nicht erkennbar, „der Dienstbetrieb in den Kindergärten zumindest am Vormittag damit unmöglich“. Besonders ärgerlich ist Uhl über die kurzfristige Terminierung - die Einladungsflugblätter waren erst am Dienstag verteilt worden -, weil die Eltern sich dadurch nicht „in zumutbarer Weise“ auf die neue Situation hätten einstellen können. Uhl: „Ich

halte den Eindruck für unerträglich, daß die Interessen von Kindern und Eltern bei solchen Veranstaltungen keine Rolle spielen.“

Personalrat Cornelius Kopf räumte gestern gelassen auf die Vorwürfe seiner obersten Dienst

herrin ein: Formal habe Uhl zwar Recht, inhaltlich habe die „Brisanz der Lage“ aber schnelleres Handeln nötig gemacht, als die Behördenvorschriften erlauben. Kopf: „Das weiß niemand besser als die Eltern selbst.“

K.S.