Eine echt beschissene Marktlücke

■ Babys sind vom ersten Tag an Umweltsünder wider Willen / Eine neue Windelwaschfirma sorgt in Berlin für reine Gewissen und ökologische Verrichtung / „Pampers„-Hersteller forscht nach Kompostierung von Einwegwindeln

Kleinberliner brauchen ihr Leben nicht länger als Ökosünder zu beginnen: Umweltbewußte Eltern können jetzt auch in Berlin die Windeln ihrer Kinder mit ruhigem Gewissen wechseln. Wie in Hamburg oder Bremen bietet ein „Windel -Wasch-Service“ (WWS) (Telefon: 87 16 08) Verleih und Wäsche von Baumwollwindeln an. Dabei schont man/frau nicht nur die Umwelt - sondern auch die Haushaltskasse: Der Preis für die Windelwäsche liegt nicht über dem für Einwegwindeln.

Die Idee, so Anette Stücker vom WWS kam, „als meine Schwester ein Kind bekam, und ich sah, was da täglich für Müllberge anfielen“. Mit zwei Kommilitonen erkannte die Betriebswirtschaftstudentin die Verbindung von Ökologie und Marktlücke; die biologisch gewaschenen Windeln erhöhen nicht wie Einwegwindeln den Müllberg - und mit dem Service läßt sich Geld verdienen.

Seit November waschen die Jungunternehmer nun die dreckige Wäsche anderer Leute. Die Abonnenten bekommen die gewünschte Menge Baumwollwindeln, eine Mülltonne, zwei Windelhöschen und Windeleinlagen zur Verfügung gestellt. Beim Wickeln wandert nur die Windeleinlage in den Hausmüll, die verschmutzten Windeln werden in der Mülltonne gesammelt und einmal in der Woche abgeholt. Gleichzeitig bringen die Windelwäscher wieder saubere Windeln mit.

„Die Kinder einiger Kunden haben Allergien und brauchen Baumwollwindeln, weil die hautfreundlicher sind“, sagt Anette Stücker. „Andere haben schon vorher allein gewaschen und sind froh, daß wir es ihnen nun abnehmen.“ Bei „normalem Verbrauch“ von 40 Windeln in der Woche liege der Waschservice mit 95 Mark monatlich sogar noch knapp unter dem Kaufhauspreis für „Pampers“. Von ihren derzeit 40 Kunden können die drei Windelwäscher noch nicht leben. Weil sie aber mit weiteren Aufträgen rechnen, suchen sie bereits einen Waschraum und eine zweite Waschmaschine, denn die erste „läuft permanent“.

Mit seinem Angebot will sich der „Windel-Wasch-Service“ auch an einzelne Hebammen wenden, nachdem die Kreißsäle der Berliner Krankenhäuser abgewinkt haben: „Die nehmen alle 'Pamper'“, sagt Anette Stücker. Christel Karesch vom „Pampers„-Hersteller „Procter&Gamble“ zeigt sich der Recycling-Idee gegenüber reserviert: „Nur etwa zehn Prozent der Eltern nehmen Stoffwindeln, es wird sich zeigen, ob das akzeptiert wird.“ Die Firma biete keine Baumwollwindeln an und könne keine Service-Leistungen erbringen, sagt Karesch. Die „Pampers„-Hersteller forschen stattdessen an „Entsorgung und Kompostierung“ ihrer Höschenwindel.

Angst vor der Konkurrenz in Berlin haben die drei von der Windelwäsche nicht. Es hätten schon Leute aus dem Bundesgebiet angerufen, um nach dem Windel-Know-how zu fragen, sagt Anette Stücker. Auch einer aus Ost-Berlin sei dabei gewesen, aber dem räumt sie wenig Chancen ein: „Die Leute drüben hatten jahrelang normale Windeln. Die sind ganz spitz auf 'Pampers‘.“

Bernhard Pötter