„In freier Entscheidung“

■ Momper: Unser Grundgesetz für Gesamt-Deutschland, Berlin als Hauptstadt des „blühenden Gemeinwesens“ - und DDR-Beitritt als Anschluß nach Artikel 23

Für einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes hat sich gestern der regierende Bürgermeister Momper in seiner Regierungserklärung „Zur Zukunft Berlins im Zusammenhang mit den Zwei-plus-vier -Verhandlungen und dem Prozeß der deutschen Einigung“ vor dem Abgeordnetenhaus ausgesprochen. „Ich meine, daß wir dringendere Probleme zu lösen haben, als eine polarisierende Verfassungsdebatte zu führen“, so Momper zur Begründung.

Ein Beitritt nach Artikel 23 schließe eine Veränderung des Grundgesetzes nach Artikel 146 nicht aus, das Grundgesetz habe sich aber bewährt und dazu beigetragen, aus der Bundesrepublik ein „blühendes Gemeinwesen“ zu machen. „Die neue Verfassung (für ganz Deutschland, d.Red.) soll vom Grundgesetz ausgehen“, so Momper weiter, das in einzelnen Punkten verbessert werden könne. Als Beispiele nannte er die Einführung des Umweltschutzes als Staatszieles und ein Grundrecht auf angemessene Wohnung. Die neue Verfassung für ein geeintes Deutschland, deren Grundlage das GG sein soll, soll nach Mompers Vorstellungen „vom deutschen Volk in freier Entscheidung“ beschlossen werden.

Fast emphatisch sprach sich Momper gestern für eine Hauptstadt Berlin aus: „Berlin ist als Hauptstadt des künftigen geeinten Deutschlands bestens geeignet, denn diese Stadt steht für das neue moderne Deutschland. Diese Stadt ist gesellschaftlich liberal und progressiv.“ Im Zusammenhang mit den bevorstehenden Verhandlungen der Alliierten (Formel zwei plus vier) forderte Momper auf der einen Seite die Auflösung des Warschauer Paktes, der als Bündnis überflüssig geworden sei, plädierte andererseits dafür, die Nato in ein politisches Bündnis umzuwandeln.

Die nachfolgende Debatte zur Deutschlandpolitik hatte im Vergleich zu der auf der letzten Plenarsitzung vor vierzehn Tagen deutlich an Heftigkeit verloren. Zwar übte Oppositionsführer Diepgen Kritik am Senat, in wesentlichen Punkten waren jedoch kaum Differenzen zu erkennen - mit der Ausnahme, daß die CDU die Einheit weiterhin so schnell wie möglich will. Zum ersten Mal war von der CDU in der Öffentlichkeit nicht mehr die Forderung zu hören, am 6. Mai gesamtberliner Wahlen abzuhalten. Auch Diepgen sprach sich uneingeschränkt - wie kurz zuvor Momper - für die Anerkennung der polnischen Westgrenze ohne eine Verknüpfung mit Reparationszahlungen aus. Die SPD-Fraktion unterstützte den Vorschlag Mompers einer engen Zusammenarbeit der beiden Berliner Stadtparlamente nach dem 6. Mai. Ihr Vorsitzender Staffelt rief alle Abgeordneten dazu auf, mehr Initiative zu entwickeln und auch den Regionalausschuß stärker parlamentarisch zu kontrollieren.

kd