Standbild: Maul- und Clownseuche

■ Die Woche - Menschen im Gespräch

(Die Woche - Menschen im Gespräch, RTL plus, 22.45 Uhr) Die Talkshow Die Woche heißt so, weil Wortführer Geert Müller-Gerbes seine Gäste irgendwann schulmeisterlich abfragt, welches Ereignis in der vorangegangenen Woche das für sie wichtigste gewesen sei. Es gibt Talk-Abende, da ist dies die intelligenteste Frage. Zweifellos stehen und fallen Talkshows mit ihren Talkmastern. In diesem Sinne fällt Die Woche ausschließlich, und zwar ins End- und Uferlose.

Was den Informationsgehalt seiner Sendung betrifft, so bewegt sich der etwa auf dem Level von „Der Preis ist heiß“. Müller-Gerbes beispielsweise an Grit Böttcher: „Sie spielen Frau Lindemann, aber man darf trotzdem weiter Böttcher zu Ihnen sagen?“ Mit seiner unglaublich geschickten Fragetechnik gelingt es ihm noch immer, den Gegenüber in die Enge zu treiben: „Was kann man dagegen tun? Kann man was dagegen tun? Soll man was dagegen tun?“ So auf seine bemitleidenswerten Gäste mehr noch einprasselnd als -quasselnd, verbreitet sich Plusterbacke, gnadenlos desinteressiert, seine Gesprächspartner schon im ersten Halbsatz abwürgend, es sei denn, sie stehen mindestens im Ministerrang. Dann schleimt und umwedelt er seehündisch die Zelebrität, alle anderen TalkrundenteilnehmerInnen unfein vernachlässigend. Wie er sich überhaupt bevorzugt jenen zuwendet, die nur per Stichwort angestubst werden müssen, um sogleich loszusprudeln. Schwierigere Gäste bleiben weitgehend unbeachtet im Abseits; und so dominieren zwangsläufig die Selbstdarstellungsprofis; an diesem Abend in dieser Reihenfolge - Schäuble (Innenministerium), Geißendörfer (Lindenstraße), Böttcher (Hotel Paradies).

Am liebsten aber hört „Müller-Herpes“ (Köhler), die schnarrende Frühlingsrolle, sich selber reden. Schwer überzeugt von seiner eigenen Wichtigkeit, ruckelt und zuckelt er mit Knien und Schenkeln, rutscht aufgeregt auf seinem Sitz hin und her, die wie in den Sessel geknetete personifizierte geckenhafte Selbstüberschätzung, ein Preßsack und Dummbeutel, bei dem es nicht mal zu richtig widerlich hochnäsiger Arroganz gereicht hat, ein mickriger Talkmaster-Darsteller von allenfalls Bauerntheaterqualität. Er gockelt mit geschwelltem Kamm und sondert stolz mit sonorem Seriositätstimbre noch die ausgewalztesten Plattitüden ab. Nur wenn jemand aufmüpfig wird und Unbotmäßiges äußert, wird Müller-Gerbes ungeahnt schnell, wiegelt ab und komplimentiert den Gast mit Verve in verzweifelte Sprachlosigkeit. Er ist einfach ein „Blödmann“ im Sinne Max Goldts, dem nur zufällig und unfreiwillig solches gelingt: „Sind Sie da ganz außen vor, oder nehmen Sie das auf oder ein...“ Ein schöner Gag, hätte er nur gewußt, was er da redet. Leider aber ist er ein Sprachfrevler der ruchlosesten Art, der so krampfhaft Scherz betreibt wie eine Nonne(/der Mönch) die Onanie, bemitleidenswert lächerlich: die Maul- und Clownseuche in Person.

Harald Keller