Ortega will die Revolution per Gesetz sichern

Die bürokratischen Mühlen werden in den nächsten Wochen in Nicaragua im Akkord mahlen / Legalisierung konfiszierter Häuser im Zentrum  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein „Regieren von unten“ und Rechtssicherheit für die Begünstigten der Revolution sollen noch vor dem Regierungswechsel am 25.April geschaffen werden. Daher steht dem nicaraguanischen Parlament in den nächsten Wochen Überstunden bevor. Präsident Ortega brachte am Donnerstag Anträge zur Verankerung der Universitätsautonomie und zur Legalisierung konfiszierter Häuser ein. Sandinistische Massenorganisationen wollen ihr bisheriges De-facto-Dasein absichern, indem sie sich als Rechtspersonen registrieren lassen. Rund 10.000 Familien, die in konfiszierten staatseigenen Häusern wohnen, wollen grundbuchsfähige Titel bekommen, bevor Violeta Chamorro die Regierung übernimmt. Was die Bürokratie aus Mangel an Dringlichkeit in zehn jahren nicht bewältigt hat, muß nun im Schnellverfahren über die Bühne gehen. Man rechnet nämlich mit einer massiven Rückkehr von Exilnicaraguanern, die jahrelang auf den Sturz der SandinistInnen gewartet und vielleicht sogar die Wahlkampagne der siegreichen Oppositionsallianz unterstützt haben. „Die Somozisten werden ihre Häuser und Ländereien zurückhaben wollen“, erläuterte Parlamentssekretär Rafael Solis das Gesetzesvorhaben, „es wäre absurd, wenn die Revolution das zuließe“. Tausende Angehörige von Opfern des Krieges und des Volksaufstandes, die „Mütter der Helden und Märtyrer“, Kriegsversehrte und Parteileute haben im Laufe der Jahre verlassene und konfiszierte Häuser zugewiesen bekommen. Deren Status soll jetzt legalisiert werden. Dasselbe gilt auch für sandinistische Comandantes und Regierungsmitglieder, die jahrelang im Untergrund gelebt hatten und sich nach dem Sturz Somozas in leerstehenden Villen einrichteten. Daniel Ortega etwa bewohnt das Haus eines ehemaligen Contra-Funktionärs. Die Entschädigung der enteigneten VoreigentümerInnen wird in einem eigenen Kompensationsgesetz geregelt. Für rund 400.000 öffentliche Angestellte, die um ihren Posten fürchten, soll die Unkündbarkeit durch ein Staatsdienstgesetz verankert werden. Dieses Gesetz ist Produkt eines Abkommens von Präsident Ortega mit allen Oppositionsparteien. Die Vorlage war von der Nationalversammlung bereits bestätigt worden, scheiterte jedoch letzte Woche am Veto Ortegas. Der Präsident machte erstmals von seinem Vetorecht Gebrauch, weil die bisherige Fassung erst durch ein Ausführungsgesetz ergänzt werden müßte und in frühestens einem Jahr operativ wäre. Die überarbeitete Version soll sofort in Kraft treten und Massenentlassungen durch die neue Uno-Regierung verhindern. Außerdem soll sich der Schutz vor politisch motivierten Entlassungen nach dem Willen der AutorInnen jetzt auch auf die DirektorInnen von Staatsbetrieben erstrecken.

In den Rahmen der nationalen Versöhnung fällt ein Projekt, das alle, die nach dem 19. Juli 1979 - dem Revolutionstag straffällig wurden, vor Verfolgung schützt. Dies betrifft vor allem Contra-Kämpfer und Deserteure, aber auch ehemalige FunktionärInnen, die Staatsgelder veruntreut haben. Die Freiheit der Lehre und Wissenschaft sowie die Autonomie der Universitäten war Wahlthema beider Parteien. Jetzt wollen es sich die SandinistInnen nicht nehmen lassen, das entsprechende Gesetz noch unter ihrer Ägide zu verabschieden.