Ohne Kronzeuge kein PKK-Prozeß

■ Ohne den Kronzeugen Cetiner hätte es das Düsseldorfer PKK-Verfahren nicht gegeben / Bundesanwaltschaft nennt Aussagen des Ex-PKK-Funktionärs Cetiner „außerordentlich wichtig“

Berlin (taz) - Ohne die Aussagen des früheren Funktionärs der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Ali Cetiner, wäre es nicht zum derzeit in Düsseldorf laufenden spektakulären Prozeß gegen 17 mutmaßliche PKK-Mitglieder gekommen. Die Angeklagten werden von der Bundesanwaltschaft der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Sie werden beschuldigt, Mitte der 80er Jahre mehrere Abtrünnige aus den eigenen Reihen in Schauprozessen verurteilt und hingerichtet zu haben. Der Prozeß gegen sie beruht im wesentlichen auf den Aussagen des 36jährigen Ali Cetiner, dem derzeit in Berlin der Prozeß gemacht wird. Ihm wird zur Last gelegt, als früheres Führungsmitglied der PKK 1984 in Berlin zu einem Mord an einem früheren Gesinnungsgenossen angestiftet zu haben. Er legte dazu bereits ein umfassendes Geständnis ab. Cetiner soll demnächst in Düsseldorf als Hauptbelastungszeuge aussagen.

In dem Berliner Verfahren gegen Cetiner betonte gestern der leitende Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Senge vor der 27. Großen Strafkammer die „außerordentliche Wichtigkeit“ der Aussagen Cetiners. In einigen Punkten hätte sich die Karlsruher Bundesanwaltschaft lediglich auf eine „mutige Indizienkette“ stützen können. Erst die Aussagen Cetiners hätten die Anklagen „rund gemacht“. Cetiner habe der Bundesanwaltschaft nicht nur Einblicke in den Aufbau und die Strukturen der PKK vermittelt. Auf seinen Angaben beruhten auch die Anklagen für drei versuchte und elf durchgeführte Tötungsdelikte. In Übereinkunft mit der Berliner Staatsanwaltschaft sei Cetiner wegen seiner „enormen Hilfe“ zugesagt worden, „alles in unserer Macht stehende zu tun“.

Ali Cetiner soll für seine Aussagen als erster in den Genuß der lang umstrittenen „Kronzeugenregelung“ kommen. Bei seinen Vernehmungen durch den Oberstaatsanwalt wurde ihm im September letzten Jahres zugesagt, daß er entsprechend der neugeschaffenen Regelung im Gegenzug für seine Aussagen nur zu einer gesetzlichen Mindeststrafe von drei Jahren verurteilt werden soll. Die endgültige Entscheidung darüber, ob die Kronzeugenregelung angewendet wird, trifft das Berliner Gericht in seiner Urteilsbegründung. Die anderen an dem Mord in Berlin Beteiligten sollen entweder bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit den türkischen Streitkräften ums Leben gekommen oder als Abweichler von PKK -Angehörigen ermordet worden sein. Einer der von Cetiner Beschuldigten, Ali Aktas, sitzt in Düsseldorf auf der Anklagebank.

Mit den Verfahren in Nordrhein-Westfalen sei der Fall PKK für die bundesdeutschen Justizbehörden nicht abgeschlossen, erklärte Oberstaatsanwalt Senge gestern vor Gericht. Er hofft, mit der Unterstützung des Kronzeugen Centiner „in dem einen oder anderen Fall weiterzukommen“.

Wolfgang Gast