„Die DDR hat eine große Chance“

■ Klaus Traube über die Energiezukunft der DDR

Frage: Die DDR setzt energiewirtschaftlich auf Atomkraft. Bis zum Jahr 2000 soll der Energieanteil durch den Ausbau von Greifswald und die Fertigstellung der ersten beiden Reaktorblöcke in Stendal verdreifacht werden. Gibt es neben dem Ausbau der Kernenergie für die DRR noch eine andere Energiechance?

Klaus Traube: In der DDR hat Atomenergie 10 Prozent Anteil an der Stromerzeugung, die insgesamt 13 Prozent des Energiebedarfs der Verbraucher deckt. Atomstrom deckt also ganze 1,3 Prozent dieses Energiebedarfs. Er bliebe auch dann ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn der geplante Ausbau in Greifswald und Stendal noch durchgezogen würde. In der DDR ist der Primärenergieverbrauch je Einwohner rund ein Viertel höher als in der Bundesrepublik, fast doppelt so hoch wie in Japan oder der Schweiz. Wenn man den Verbrauch von Braunkohle, der ja mit Ausnahme des Treibstoffs für Kraftfahrzeuge fast den ganzen Energiebedarf der DDR deckt, wirksam reduzieren will, dann ist zunächst einmal der Einsatz von Kapital dort erforderlich, wo der abnorm hohe Energieverbrauch am schnellsten und kostenwirksamsten reduziert werden kann. Zugespitzt gesagt: Der Verbrauch an Braunkohle und die damit einhergehenden Umweltbelastungen läßt sich sehr viel schneller und sehr viel kostengünstiger dadurch senken, daß man ordentliche Thermostatventile in die Heizungen einbaut als daß man Atomkraftwerke baut. Darüberhinaus müßte auch die Stromversorgungsstruktur der DDR verändert werden. Es müßten alte Braunkohlewerke abgeschaltet werden und neue Braunkohlekraftwerke mit wirksamer Rauchgasentschwefelung versehen werden, was im übrigen auch vorgesehen ist. Vor allem aber müßte die gekoppelte Erzeugung von Strom und Fernwärme ausgebaut werden. Die Chance dafür ist groß, weil es in der DDR praktisch keine Erdgasversorgung gibt, diese aber kommen wird. Statt - wie in der Bundesrepublik - die Einzelheizungen auf Erdgas umzustellen, sollte das Gas in dezentralen Heiz-bzw Blockkraftwerken gleichzeitig Strom und Heizwärme erzeugen, wozu in großen Städten auch importierte Steinkohle dienen kann. Das wäre weit umweltverträglicher und kostengünstiger als der Umbau von Großkraftwerken zur Stromerzeugung und parallel dazu die Umrüstung von Einzelheizungen auf Erdgas. Die Gefahr, daß diese Chance verspielt wird, ist freilich akut, wenn die bundesdeutschen Großstromerzeuger die Stromversorgung der DDR organisieren. Die beiden grenznahen Unternehmen Preußen-Elektra und Bauyernwerke haben ja bereits Verträge mit DDR-Kombinaten geschlossen.

Morgen findet in der DDR die erste Demonstration gegen Kernenergie in statt. Wahrscheinlich werden dort mehr Bundes -als DDR-Deutsche protestieren. Besteht die Gefahr eines Öko -Imperialismus der bundesdeutschen Alternativen in die DDR?

Eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Energiepolitik in der DDR, auch mit der Kernenergie, gab es vor der Revolution nicht, wenn man von einem Arbeitskreis der evangelischen Kirche absieht.

Dessen wesentliche Aussage zielte auf Priorität für Senkung des Energieverbrauchs und Aufgabe der Atomenergie. Diese Linie ist nun auch von der Opposition am Runden Tisch - auch von der SPD - übernommen worden. Wir werden also wohl erleben, daß über kurz oder lang neue Signale für die DDR -Energiepolitik gesetzt werden. Eine Anti-AKW-Bewegung wie in der BRD hat sich gar nicht etablieren können. So könnte die erste Demonstration in Stendal noch verhältnißmäßig schwach ausfallen angesichts der vielen drängenden Probleme in der DDR. Was eine Beteiligung aus der BRD angeht: Stendal liegt 60 Kilometer jenseits der Grenze, das AKW ist also nicht wohl nur ein DDR-Problem. Fragen: ma