„Mit Vergnügen zurück“

Auszüge aus dem Offenen Brief von Hilde Schramm  ■ D O K U M E N T A T I O N

Es ist wahr, ich beherrsche die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses nicht, wie es von einer stellvertretenden Präsidentin erwartet wird. (...) Ich wollte das Amt von Anfang an nicht haben, (...) Formalismen und Rituale stoßen mich ab. Ich habe mich von meinen Kollegen und Kolleginnen in der Fraktion überreden lassen, es zu übernehmen. Das bereue ich schon lange. (...) Ich hatte zunächst gehofft, dem Amt doch eine gewisse inhaltliche Prägung geben zu können. Der politische Gestaltungsspielraum, der mit dem Amt verbunden ist, geht jedoch gegen Null. (...) Der eigentliche Grund für die Fehler, die mir bei der Leitung der Plenarsitzungen immer wieder unterlaufen, dürfte aber das tiefsitzende Mißbehagen an den Plenarsitzungen selbst sein: Wechselseitiges Desinteresse an den Reden der anderen; Fernsehrhetorik, solange die Kameras an sind; zunehmende Enthemmung mit durchaus brutalen Zügen, je später es wird; endlos dauernde Große Anfragen ohne Brisanz; Scheindebatten, insofern als die Entscheidungen schon in den Ausschüssen gefallen sind. (...) Irgend ein kleiner Teufel spielt mir in jeder Sitzung einen Streich, so daß ich vergesse, ein Gesetz abstimmen zu lassen oder jemanden aufzurufen (...) Daß ich ausgerechnet am 8. März, dem Internationalen Frauentag, die Abgeordneten vorzeitig nach Hause geschickt habe, finde ich selbst komisch. (...) Ich gebe das Amt mit Vergnügen zurück.