Reisekrimis: Raymond Chandler: Phlip Marlowe

Philip Marlowe lebt! Das überrascht natürlich keinen echten Krimi-Fan. Denn eigentlich war Chandlers berühmter Privatschnüffler ja nie richtig tot. Im Gegenteil, er wurde sogar jünger, verlegte seinen Arbeitsplatz dauernd in andere Städte und nannte sich Lew Archer, Spenser, Amos Walker, John Marshall Tanner oder einfach nur Burke.

Siebenmal läßt Raymond Chandler seinen legendären Privat Eye in seinen Romanen die Hauptrolle spielen, von einer achten Geschichte mit Marlowe konnte er vor seinem Tod (1959) nur noch die ersten vier Kapitel fertigstellen. Robert B. Parker, der seine Dissertation über Hammett und Chandler geschrieben hat, hat nun das Werk vollendet. Und er hat seine Sache gut gemacht. Kein Wunder, denn von der amerikanischen Kritik wird Parker, der durch seine Krimis um den Bostoner Privatdetektiv Spenser berühmt wurde, schon seit einiger Zeit als der legitime Chandler-Nachfolger gefeiert. „Poodle Springs“ heißt der neue Marlowe-Roman, den der Münchener Albrecht-Knaus-Verlag gerade unter dem deutschen Titel Einsame Klasse herausgebracht hat: Philip Marlowe ist inzwischen ver heiratet (das war noch Chandlers Idee), aber die Ehe geht nur allzu bald in die Brüche (Parkers Idee), und der Detektiv kehrt zurück in sein altes Büro und läßt sich wieder für einen Schnüffel-Job anheuern.

Unter dem Titel Raymond Chandler's Philip Marlowe ist im Heyne-Verlag ein Taschenbuch mit neuen Marlowe -Kurzgeschichten von zwölf berühmten Krimi-Autoren erschienen, deren Werke alle mehr oder weniger von Chandler beeinflußt wurden. Neben den Amerikanern Max Allan Collins, Loren D. Estleman, Jonathan Valin ist auch der Mexikaner Paco Ignacio Taibo II mit von der Partie und natürlich einige Frauen wie Julie Smith (die Marlowes Frauenbild etwas aufpoliert) und Sara Paretsky. Der Chandler-Biograph Frank MacShane hat das Nachwort zu dieser interessanten und spannenden Story-Sammlung geschrieben, und abgerundet wird die ganze Sache mit einer Straßenkarte von „Philip Marlowe's Los Angeles“, auf der all die berühmten Orte der Chandler -Romane verzeichnet sind. Im Mai soll der zweite Band, mit 13 neuen Geschichten von wiederum zwölf zeitgenössischen Krimiautoren, erscheinen.

Karl Wegmann