: WÄRME AUS DER FERNE
■ Umweltpreise der Tourismusbranche und ihrer Kritiker
Die Tourismusbranche bekommt zunehmend kalte Füße, wenn das Thema auf die Umweltsituation in den Urlaubsgebieten zu sprechen kommt. Naturparadiese, wie sie die Prospekte versprechen, sind knapp geworden, und Neuschöpfungen sind nicht machbar; allein die Regenerationschancen der vorhandenen sind äußerst gering. Die Touristiker fangen an, sich mit Umweltschutz vertraut zu machen.
So mutet es wie Eigenlob an, wenn die Branche ihre Denkversuche groß herausstreicht und dafür bereits Preise und Auszeichnungen vergibt. Im vergangenen Jahr startete der Branchenriese NUR Aktivitäten für ein hauseigenes Ökosignet für umweltfreundlich ausgestattete Hotels. Ist das jetzt eine freiwillige Selbstkontrolle in Sachen Umweltausbeutung? Die Veranstalteraktivitäten dienen doch vielmehr dem Erhalt der Kundschaft. Ob sie die Umweltqualität erhalten helfen, wird die Zukunft zeigen. Bislang hat ihre Produktprofilierung eine Aufwertung zweifelhaft gewordener Urlaubsdestinationen gebracht und kommt vor allem den optischen Bedürfnissen nach erkennbar sauberen Stränden und sauberem Wasser entgegen.
Bereits zum dritten Mal verlieh der Deutsche Reisebüroverband (DRV) den Preis „Tourismus und Umwelt“. 1987 wurden damit die Aktivitäten zur Rettung der Tara -Schlucht in Jugoslawien ausgezeichnet, die durch ein Staudammprojekt im Wasser unterzugehen drohte. 1988 war es die Aufforstungsaktion „Bäumiger Sommer“ des Fremdenverkehrsverbandes Berner Oberland. 1989 wurde das „Anapurna Conservation Area Project“ in Nepal prämiert.
Statt die eigene Verbandsarbeit zu hinterfragen und im eigenen Einflußbereich initiativ zu werden, betätigt sich der DRV als Sponsor von Projekten fern der eigenen Haustür. Sowohl thematisch als auch räumlich liegen die prämierten Aktionen im touristischen Abseits. Sie betreffen individualtouristische Ziele, die wie einsame, intakte Idyllen im großen Meer des Massentourismus schwimmen. Vierzig Initiativen bewarben sich allein für den Umweltpreis 1989. Daß die holländische Firma „Center Parks“ abblitzte, mag der Einsicht der Jury zuzuschreiben sein. Denn künstliche Urlaubsparadiese karikieren den Umweltschutz, praktizieren ihn nicht.
Die Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“, selbst im Wettstreit um den begehrten DRV-Preis, vergab anläßlich der diesjährigen Internationalen Tourismus-Börse (ITB) nun ihrerseits einen „Solidaritätspreis“. Er ging an eine Bürgerinitiative aus Goa, die mit spektakulären antitouristischen Aktionen schon bis in die deutsche Öffentlichkeit gelangt war. Bei der Preisvergabe erschienen deren Aktivitäten geradezu in einem Licht revolutionären Widerstandes. Erinnerungen an frühe Solidaritätskampagnen der siebziger Jahre wurden geweckt. Deutsche Tourismuskritiker umarmten auf der ITB aufständische „Bereiste“ für ihr Engagement und borgten sich damit etwas von der Wärme aus der Ferne.
Christel Burghoff
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