Todesschützen dürfen schweigen

■ Das Londoner Oberhaus bewahrt nordirische Polizisten, die 1982 unbewaffnete IRA-Mitglieder erschossen, vor einer Zeugenaussage / Untersuchung jetzt eine „Farce“

London (taz) - Die nordirischen Polizeibeamten, die im November 1982 drei unbewaffnete Mitglieder der Irisch -Republikanischen Armee (IRA) mit Kugeln regelrecht durchsiebt haben, müssen nicht vor der Untersuchungskommission über die britische Todesschußpolitik aussagen. Das entschied das Londoner Oberhaus. Die Lords verwarfen ein Urteil des nordirischen Berufungsgerichts vom Dezember 1988, das die Nichtvorladung der Polizisten als gesetzeswidrig bezeichnet hatte.

In der Erklärung des Oberhauses heißt es, daß der nordirische Untersuchungsleiter auf die Aussage „von Bürgern einer bestimmten Kategorie“ - nämlich Polizisten verzichten kann, um sie „nicht in Verlegenheit zu bringen“. Diese Entscheidung steht in krassem Gegensatz zur rechtlichen Lage in England und Wales, wo eine Zwangsvorladung von Zeugen sehr wohl möglich ist.

Ein Sprecher der irischen Regierung kommentierte: „Es ist eine Schande, daß eine Untersuchung ohne die Aussage der Leute stattfinden kann, die die Schüsse abgefeuert haben.“ Seamus Mallon von den nordirischen Sozialdemokraten meint, daß Untersuchungen in Nordirland nun endgültig zur „Farce“ degradiert worden seien.

Eleanor McKerr, Witwe eines der drei Opfer, kündigte an, daß sie den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen werde. Sie sagte: „Ich kämpfe seit acht Jahren. Der Europäische Gerichtshof ist der einzige Weg, der mir noch offensteht.“

Ralf Sotscheck