Das Jenseits von Afrika und Bremen

■ Oder: Bis daß das Gartenbauamt euch scheidet

Als mein Bruder aus der Kirche austrat, hat mein Vater ihn gefragt, wo er denn dann begraben sein wolle. Mein Bruder hatte sich dazu schon Gedanken gemacht. Seine Asche solle man ins Klo schütten und dann einmal ziehen, schlug er vor.

Die geringe Mühe für die Verwandten, denen ich, wie mein Bruder, ungern nach meinem Tode doch noch in die Hände fiele, die paradigmatische Rotzigkeit des vorgeschlagenen Ritus, das hat mich durchaus beeindruckt. Dennoch war etwas an dieser auch umweltfreundlichen Lösung, das mir nicht gefiel. Eine Lösung ergab sich etwas später schon beim allerersten Besuch von „Jenseits von Afrika“: So wie Robert Redford von Meryl Streep begraben wird, so hätte ich's auch gern. Auf dem Hügel, über dessen gelbes Gras der Wind streicht und unter den Tatzen des Löwenpaares, das Robert die toten Gebeine mit seinen lebenden wärmt, wenn es an seinen Lieblingsplatz kommt. Drei weitere Besuche des edlen Films bestätigten die Wahl.

Ich begann in Bremen nach einem kongenialen Plätzchen Ausschau zu halten. Wenn auch Löwen in den nächsten Jahren nicht zu verlangen sind, so haben doch der Riensberger oder der Osterholzer Friedhof immerhin an einigen Ecken echtes, wenn auch graugrünes Gras, alte Bäume und auch Wind in Fülle. Bachstelzen könnten zwischen den auf mir wachsenden tränenden Herzen herumpicken, streunende Hunde und heimatlose Katzen mir die Ehre geben. Die Vorstellung eines Lebens nach dem Leben in Bremer Erde begann in meinen Zukunftsplanungen eine gewisse Rolle zu spielen.

Bis gestern, als die „Verlängerung des Nutzungsrechtes an Grabstellen“ über den Redaktionstisch ging. Melden sich nämlich die dort umseitig aufgeführten zahlreichen „Nutzungsberechtigten der nachstehend aufgeführten Grabstellen,“ NICHT, „deren Aufenthalt dem Gartenbauamt nicht bekannt ist,...wegen der gebührenpflichtigen Verlängerung des Nutzungsrechtes an Grabstellen innerhalb eines Monats“ beim Gartenbauamt Abteilung Friedhöfe und zwar „unter Vorlage bzw. Einsendung des Grabdokuments“, dann ja dann gehen „die Grabstelle und die darauf befindlichen Gegenstände gemäß § 1o der Friedhofsordnung auf das Gartenbauamt über.“

Nix ruhe sanft in Frieden unter Bachstelzen und Hunden. Hab ich für mein Grab keinen Nutzungsberechtigten oder ist der dem Gartenbauamt nicht bekannt oder meldet sich nicht innerhalb eines Monats oder ohne Grabdokument, dann ist das Gartenbauamt frei, mit mir zu verfahren, wie ihm beliebt, mich wieder auszugraben, noch jemand dazu zu legen und scheußliche neumodische Grabsteine auf mich zu wälzen. Dann mach ichs doch lieber gleich wie mein Bruder.

Uta Stolle