D O K U M E N T A T I O N „An Kirchenbänken festhalten“

■ Pastor Bode: Am 16.3.87 im „Wort zum Montag“

Der Altar glänzte in protestantischer Schlicht - und Schönheit: Eine aufgeschlagene, voluminöse Bibel, symmetrisch umrahmt von zwei saftigen, gelben Blumensträußen. Pastor Friedrich Bode als Gastprediger vor die Neustädter Zionsgemeinde: „Liebe Freunde, liebe Brüdern und Schwestern! Wer mich nicht versteht, lege bitte eine Hand ans Ohr!“

Als Bode mit dem ellenlangen Text durch war, fragte er die Gemeinde, ob sie die feine Ironie des Hebräerbriefes erkannnt habe. Als keine Reaktion kam, verkündete er, daß erwiesenermaßen sowieso nur zwei Prozent der Bevölkerung Ironie verstünden.

Inzwischen kam Bodes durchdringende Stimme voll zum Tragen. Mit den Neustädter Brüdern und Schwestern wurde er nicht so richtig warm und schaltete bald vom kumpelhaften „Ihr“ auf das distanzierte „Sie“ um. Wir modernen Menschen des 20. Jahrhudnerts lehnten Opferrituale doch völlig ab, wendete Bode die biblische Botschaft provokativ, wir nähmen doch nur das an, was wissenschaftlich untermauert sei, was wir sehen, hören, fühlen und schmecken könnten. „Doch sind wir menschlicher geworden?“ fragte Bode und riet den ZuhörerInnen: „Jetzt ist es an der Zeit, sich an den Kirchenbänken festzuhalten“.

In einer atemberaubenden Aufzählung prasselten die „Opferrituale der modernen Zivilisation“ auf die Neustädter Gemeindeglieder hinunter: Auschwitz und Treblinka, Hiroshima und Nagasaki, 10 Millionen Bundesbürger in Psycho-Therapien, Alkohol und Drogen, Kindesmißhandlungen und Selbstmorde, schließlich der Moloch Auto, dem Kinder, Alte und Natur geopfert würden.

Auf die besondere Schlechtigkeit des heutigen Menschen ließ Pastor Bode nichts kommen: „Waren unsere Ahnen mit ihren Tierversuchen nicht menschlicher? Sie hatten mehr Zeit für sich und andere, sie tanzten und spielten miteinander, sorgten für das Gemeinwohl.“

Ganz am Ende der Predigt fand Bode Worte des Trostes: „Ich kann mich nicht selbst vergessen, weil Jesus mich am Kreuz nicht vergessen hat.“ Doch dann verriet sich Bodes Zweifel an der Tröstlichkeit und Fröhlichkeit der christlichen Botschaft in diesen so unchristlichen Zeiten durch einen kleinen Sollsatz: „Die christliche Botschaft sollte (!) uns zu fröhlichen, bekennenden Menschen machen. Amen.“

Barbara Debus