„Zwischen Hüsch und den Stones“

■ Heinz-Rudolf Kunze über gute Unterhaltung und gute Geschäfte

Heinz-Rudolf Kunze fuhr am Sonnabend drei Stunden lang mit seinem Publikum Achterbahn. Von seichten Liebesschnulzen führte der

steile Anstieg über locker gereimte Ungereimtheiten hinab in die Tiefen deutscher Vergangenheit und Gegenwart. Der erhobene Zeigefinger war zwar zwei Meter groß, aber nur aus Pappe: „Wenn Ihr wollt, könnt Ihr ruhig mitsingen, aber nicht, weil Ihr Spaß habt, sondern um Euch ernsthaft mit dem Sänger zu solidarisieren.“

taz: „Gute Unterhaltung“ ist der Titel Deiner Tournee. Was ist das eigentlich?

Heinz-Rudolf Kunze:Ich hoffe das, was wir machen. Das ist eine Form irgendwo zwischen Hüsch und den Stones, die ich suche, kabarettistische und satirische Elemente - also auch gesprochene Passagen - mit dem zu verbinden, was mir alles in den Sinn kommt, wenn ich an Rockmusik denke. Es gibt ziemlich viele Ecken, in die ich gerne mal reinrieche, wenn ich Musik mache. Das verbinden mit Texten, die im Saal, wenn die Leute gerne mitsingen möchten, einen Sinn ergeben, die aber auch zu Hause, wenn man sie nachliest, noch einen Sinn ergeben sollten.

Es gibt eine ganze Menge Lieder von Dir, die sich mit der faschistischen Vergangenheit Deutschlands beschäftigen. Dreht sich Dir nicht der Magen um, wenn Dein Publikum Feuerzeuge ansteckt und den Vier-Viertel Takt klatscht, wenn Du auf der Bühne von 6.000.000 vergasten

Juden singst?

Ich möchte als Unterhaltungskünstler, der ich letzten Endes auch bin, Leute erreichen. Natürlich kann man zu so einem Text versuchen, Hans Eislersch schräg, schrill, bitter und melancholisch zu sein. Das aber zu tun, vor allem in einer mit mehreren tausend normalen Menschen gefüllten Halle, dürfte nicht gerade zu einem erfolgreichen und für alle befriedigenden Ergebnis führen. Dabei geht es sicherlich auch darum, daß ich mit meiner Musik erfolgreich sein und Geld verdienen will. Klar, wer könnte das leugnen, wenn man davon lebt. Aber es geht auch darum, daß ich diese Leute sinnlich erst einmal erreichen möchte, und ich möchte sie gerade bei den unangenehmen Dingen, die ich manchmal formuliere, nicht durchgängig musikalisch so vor den Kopf stoßen, daß sie mir einfach abspringen und nicht mehr zuhören. Für die, die sonst vielleicht zu Bap, Maffay oder Grönemeyer gehen, ist das, was ich inhaltlich mache, manchmal eine ganz schöne Zumutung. Das muß ich ihnen erst einmal so anbieten, daß sie es schlucken können.

Was tust Du als Liedtexter, wenn sich die Worte nicht in ein hitverdächtiges Reimschema pressen lassen?

Das Problem hab‘ ich oft, und dann mache ich meistens Sprech

texte. Dann setze ich sie als Blöcke zwischen die Lieder, da bin ich dann auch tagespolitisch näher dran als in meinen Liedern. Ich glaube aber, daß ich mit lyrischen Formen schon eine ganze Menge probiert habe. Es gibt auf den älteren Platten auch nicht-reimende Lieder, und selbst auf der „Herz„-LP, die ja sozusagen mein Verrätermoment war, mein Monterey, wo ich mir eine E-Gitarre umgeschnallt habe wie Herr Dylan damals, seelig. Selbst da hab ich ein Stück wie „Väter“, das auch ein reimloses Prosagedicht ist und dementsprechend auch etwas bizarrer musikalisch umgesetzt wird. Aber an und für sich halte ich diese schlichte Pop -Form für eine ganz ergiebige Sache. Ich habe ja mal was anderes gemacht, 1988, ein Musical übersetzt, da konnnte ich mit anderen Formen spielen, aber das hat mir dann auch wieder gereicht.

1983 spielten in Bochum Künstler für den Frieden, 1986 in Burglengenfeld gegen die WAA, 1989 gab es Freikonzerte für DDRlerInnen. Ist das mehr als Imagepflege, wenn man etwas inhaltsschwerere Popmusik macht?

Vor allem unterliegt man einem gewissen Zugzwang, wenn das Management einem erzählt, wer alles schon zugesagt hat. Dann muß man auch zusagen.

Vielen Dank für das Gespräch. Int:ma