IG-MOBILMACHUNG

 ■  Wenn Arbeit Unrecht ist, wird Faulheit Pflicht

In der „Sozialcharta“, die der Runde Tisch als Verhandlungsgrundlage für die deutsch-deutschen Wirtschaftskommision vorgelegt hat, wird das „Recht auf Arbeit“ gefordert: Der neue Staat (wie soll er eigentlich heißen??? Wolfgang Neuss: „Wenn man Deutschland sagt, sollte man Hitler-Deutschland sagen. Dann weiß man gleich, warum man nicht Deutschland sagen kann“), die neue Republik Hitler -Deutschland also, soll verpflichtet werden, allgemeine Beschäftigung zu garantieren. Mit der Forderung des Rechts auf Arbeit macht der Runde Tisch nicht den Versuch, ein Fossil des SED-Staats in die neue Zeit zu retten, er setzt vielmehr eine Selbstverständlichkeit auf die Tagesordnung: auch die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1949 fordert ein Recht auf Arbeit. Dennoch ist die Überlegung angebracht, ob dieses Recht, für das sich ja auch die bundesdeutschen Gewerkschaften stark machen, überhaupt noch zeitgemäß ist. Denn in den 40 Jahren seit Verkündung der Menschenrechte ist klar geworden, daß unsere Arbeitsweise durch ihre gigantische Energieverschwendung die Lebensgrundlagen der Erde systematisch und beschleunigt zerstört. Die vollbeschäftigte DDR hat sich bei diesem Zerstörungswerk besonders hervorgetan, die Millionen potemkinscher Arbeitsplätze waren in dieser Hinsicht ein Fortschritt und Segen - was hätten die Werkuntätigen angerichtet, wenn sie mit derselben Effizienz produziert hätten wie die Ozonmörderbanden bei Hoechst oder die Wald und Wiesenkiller bei Daimler? 3,5 Prozent Wachstum bedeutet Verdopplung in 20 Jahren, Verdopplung des Energieverbrauchs, des Mülls, des Gifts - das ist das Rennen, an dem teilzunehmen den natur- und umwelt-bewahrenden Werkuntätigen der DDR mit dem Recht auf Arbeit garantiert werden soll.

Nun liegt dem Runden Tisch, ebenso wie den Gewerkschaften, das ökologische Debakel des großtechnologischen Wachstumswahnsinns, ungefiltert in der DDR und in der BRD notdürftig katalysator-geschminkt, klar vor Augen. Und doch stellt man sich hin und fordert stur heil seit hundert Jahren, als ob nichts gewesen wäre, immer dasselbe: mehr Arbeit und mehr Lohn. Dies zu fordern, steht natürlich jedem frei, nur: es im Namen der Massen, der Arbeitenden, der Arbeitslosen, des gesamten Sozialen zu tun, dieser Akt sollte in Zukunft als gemeingefährlich gelten. Denn die Arbeit, die wir verrichten, die Güter, die wir produzieren, haben nur auf den allerersten Blick noch irgendeinen Nutzen, auf immer kürzere Sicht sind sie lebensfeindlich und destruktiv. Jede neue Lohnforderung, jeder zusätzliche Arbeitsplatz, jedes neu produzierte alte Auto, baut diesen Highway in die Hölle weiter aus. „Je mehr Pferde Du anspannst, desto rascher gehts - nämlich nicht das Ausreißen des Blocks aus dem Fundament, was unmöglich ist, aber das Zerreißen der Riemen und damit die leere fröhliche Fahrt“ (Franz Kafka).

Zwar holt man Lenin derzeit allenthalben von den Sockeln, seine Frage aber hat Bestand: „Was tun?“ Die Antwort findet sich weder in den Mammut-Werken des Marxismus-Leninismus, noch in den Gedankengebäuden der bürgerlichen Nationalökonomie und auch nicht in den Umbauplänen der Grünen, sie steht in einer kleinen Schrift, die Marx‘ Schwiegersohn Paul Lafargue 1883 veröffentlicht hat: Das Recht auf Faulheit. Angesichts der Verletztungen, die 100 Jahre kommunistisch und kapitalistisch entfesselte Produktivkräfte dem Planeten beigebracht haben, gehört dieses kleine Buch den dumpfen Alt-Marxisten des Runden Tischs, den sozialen Murxwissenschaftlern in den Gewerkschaften und allen Kombattanten der zweiten, tatsächlich endgültigen Mobilmachung Hitler-Deutschlands, um die tauben Ohren geschlagen:

„Wenn die Arbeiterklasse sich das Laster, welches sie beherrscht und in Natur herabwürdigt, gründlich aus dem Kopf schlagen und sich in ihrer furchtbaren Kraft erheben wird, nicht um die famosen 'Menschenrechte‘ zu verlangen, die nur die Rechte der kapitalistischen Ausbeutung sind, nicht um das 'Recht auf Arbeit‘ zu proklamieren, das nur das Recht auf Elend ist, sondern um ein ehernes Gesetz zu schmieden, das jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten, so wird die alte Erde, zitternd vor Wonne, in ihrem Inneren eine neue Welt in sich fühlen.“

Dem ist, außer dem Hinweis, daß drei Stunden sich schnell als zuviel erweisen könnten, heute weniger denn je hinzuzufügen. Die Würde des Arbeitslosen ist unantastbar. Es gibt nichts zu tun, packen wir's an!

Mathias Bröckers