Wir kaufen uns eine Rüstungsschmiede

■ Zwei Bremer Manager kaufen ihrem Ex-Arbeitgeber, Philips, Wehrtechnik-Unternehmen in Bremen und Kiel ab

In Existenzgründer-Seminaren würde jeder Dozent vermutlich seine Stirn in Sorgenfalten legen, jeder Anlageberater würde wahrscheinlich eher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Zwei Bremer Manager haben sich von Abrüstungsstimmung und Europa-Euphorie nicht irre machen lassen: Sie kauften sich eine Rüstungsschmiede. Ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem holländischen Philips-Konzern, kauften der 47jährige Bruno Jakobi und sein Partner Hans -Jörg Zobel (35) seine beiden bundesdeutschen Rüstungstöchter „Philips Systeme und Sondertechnik (PST)“ mit Produktionsstätten in Bremen und Kiel ab.

Seit 28. Februar sind die beiden Manager alleinige Eigentümer der ehemaligen Philips-Töchter mit 1051 Beschäftigten und dem neuen Namen „Deutsche Systemtechnik GmbH“. Beide beteuerten gestern: „Wir sind keine Strohmänner, hinter uns

steckt weder Thomson/Brandt noch irgendein anderer internationaler Konzern.“

Bestgehütete Geheimnisse der beiden Existenzgründer: Der Kaufpreis und wo der mutmaßlich dreistelligen Millionenbetrag herkommt. Einziger Tip, den Hans-Jörg Zobel potentiellen Nachahmern gestern bei seinem ersten Pressegespräch als Unternehmer geben wollte: „Man braucht halt ausgezeichnete Verbindungen.“

Wichtigster Schwerpunkt der DST soll auch in Zukunft High -Tech für Bundeswehr und Nato sein. Rund 80 Prozent des Jahresumsatzes von rund 150 Millionen Mark macht die DST bislang mit Waffenleitsystemen, Gefechtsfeld-und Flugsimulatoren, und rechnergesteuerten Radaranlagen. Wenn es nach den frischgebackenen Fabrikbsitzern geht, wird die DST ihr know-how in Zukunft allerdings auch verstärkt in zivile Produkte stecken. Mög

liche Produkte: Verkehrsleit systeme für Auto-und Bundesbahn, computergestützte Polizei -Einsatzzentralen usw. In drei Jahren soll der Anteil der zivilen Produktion von knapp 20 auf 40 Prozent gesteigert werden.

Bis dahin hoffen die beiden Manager mit den im Kaufpreis inbegriffenen Auftragsbüchern (Umsatzvolumen bis 1994: rund 290 Millionen), Geschick bei der Auftrags-Akquisition, Service-Leistungen bei der bisherigen Kundschaft und einer Kapitaldecke von 110 Millionen über die Runden zu kommen. Starthilfe erhoffen sich die beiden auch vom Bremer Wirtsschaftssenaator und der wirtschaftsförderungs -Gesellschaft. Mit beiden laufen Verhandlungen.

Ihren rüstungstechnologischen Zukunfts-Optimismus - trotz Gorbatschow und Wiedervereinigung - gründen die beiden Manager vor allem auf zwei Umstände: Erstens produziere man

bei der DST schließlich keine Kanonenrohre und Panzerketten, sondern hochintelligente Steuerelektronik, für die es auch in Zukunft gute Marktchancen gebe, und zweitens könne das neue Unternehmen jetzt auch in Markt-Gewässern fischen, die früher dank konzerninterner Philips-Absprachen tabu gewesen seien.

Auf eine Beschäftigungsgarantie für die 1051 Mitarbeiter in Bremen und Kiel wollten sich Jacobi und Zobel gestern dennoch nicht festlegen lassen. Man hoffe die „überwiegende Zahl der Arbeitsplätze“ erhalten zu können und „Massenentlassungen vermeiden“ zu können. Trotz der vagen Zukunftsausichten gab sich

gestern auch der Betriebsrat optimistisch, auch wenn man einige „schmerzliche Anpasungsprozesse“ befürchte. Manfred Farye, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender: „Nach der langen Zeit der Unsicherheit sehen wir jetzt wenigstens wieder einen Silberstreif am Horizont.“

Gottfroh ist Farye zumindest, daß die verstoßene Philips -Tochter „DST“ nicht in den großen Topf der norddeutschen Lokal-Konkurrenz „System-Technik Nord“ hineingerührt worden ist. „Während die Kollegen dort noch zittern müssen, ob ihre Betriebe nicht ganz dicht gemacht werden, gibt es bei uns wenigstens einen Neuanfang.“

K.S.