Standbild: Deutschland - eine Fiktion

■ Deutschland - wo liegt es?

(Deutschland - wo liegt es?, Mo., 12.3., ZDF, 22.10 Uhr) Wo liegt Deutschland? Die Frage war naiv, am Ende der Reportage zwiespältig, aber intelligent beantwortet. Deutschland ist eine Fiktion. Das Gefuchtel mit stolzdeutschen Worten anläßlich bekannter Euphorien heute und gestern ändert daran nichts. Hannes Heer legt in einer Dreiviertelstunde die nicht zu knappe deutsche Geschichte dar, paritätisch gleich zweimal. Er bereiste die DDR, dann die BRD von Süden nach Norden. Und er befragte die BürgerInnen nach ihrem Deutschsein.

Deutsche, ein Volk von Hofschranzen, sagt Heer. Und kommt nach Preußens Gloria auf Wilhelm Zwo und Hitler, auf die Inszenierung von Staat und Deutschland zu sprechen. Die Deutschen haben es stets darauf angelegt, mangels Deutschland, ihre Nation ausführlich zu feiern und zu repräsentieren. Ausritte, Empfänge, Paraden, Manöver bei Wilhelm, Aufmärsche, nationale Feiern, Fernsehgläubigkeit und nächtliche Befreiungen von DDR-BürgerInnen aus ehemaligem Feindesland, Markenzeichen und exportierte Pünktlichkeit heute.

Den schulterzuckenden Ostseefischern auf der Ostseite fallen die deutschen Dichterfürsten ein. Im Westen denkt man an Identität als Exportschlager. Wir haben einen guten Ruf in der Konkurrenz des Weltmarktes. Hannes Heer fällt zu Deutschland die Romantik ein.

Deutschlands einzig erfolgreiche Revolution war die industrielle. Der entfesselte Prometheus, der Griff zur Weltmacht, der mit jeder Niederlage nur noch stärker griff wie einem abgeschlagenen Hydrakopf zwei neue wachsen: Mythisch - was Heer eingangs dem inszenierten Deutschlandbild zum Vorwurf machte - bleibt Deutschland auch in seinem Filmbeitrag: ein Volk der Schlächter und Schlachtbuben, die vor sich selbst sanft erschrecken. Heer endet beim Herrmannsdenkmal. Die Cherusker schlugen Varus, den Römer. Damit begann das „Schicksal“ eines fiktiven, aber offenbar wesentlichen Heimatbegriffs für ein sich immer neu vereinigendes Deutsches Reich Römischer Nation. Ein Entkommen aus der Inszenierung deutscher Heimat und deutscher Frage ist nicht in Sicht.

Arnd Wesemann