Das Ende des Globalvertrages

■ Am 31. Dezember 1990 endet der Globalvertrag des Deutschen Sportbundes (DSB) mit ARD und ZDF, der 38 Verbänden zuletzt jährlich 8,5 Millionen Mark Lizenzeinnahmen brachte

Stuttgart (epd) - Am 9. Juni 1989 wollte es der Dreifach -Funktionär Roland Mader genau wissen. Wie haltet ihr es mit dem Globalvertrag, fragte der Vorsitzende der DSB -Medienkommission, Sprecher der Spitzenverbände und Volleyball-Präsident seine in Berlin versammelten Sportsfreunde und erhielt eine detaillierte Antwort: Dreißig sagten ja, drei (Golf, Ski, Tennis) nein und fünf (Leichtathletik, Basketball, Handball, Turnen, Radfahren) gar nichts. Und damit waren die Verhältnisse, eineinhalb Jahre vor Auslaufen des Globalvertrages am 31. Dezember 1990, klar.

Das Nein-Trio hatte seinen Alleingang schon frühzeitig signalisiert, allen voran die Tiriacsche Tennisfraktion, und das Schweige-Quintett hielt aus gutem Grund hinterm Berg. Es hatte bereits Einzelverhandlungen aufgenommen, nachdem die öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Anbieter entsprechende Avancen gemacht hatten. Auf dem Müllhaufen der Geschichte ist das Vermächtnis des früheren DSB-Präsidenten Willi Weyer gelandet, der seine Kameraden immer eindringlich gewarnt hatte: „Wer alles verkaufen will, steht am Schluß mit leeren Händen da.“

Kein Wort mehr davon, kein Gedanke mehr daran, gehandelt wird jetzt, was das Zeug hält, wobei es längst nicht mehr nur um Lizenzgelder geht, sondern um Übertragungsgarantien sowie um vertraglich fixierte Verpflichtungen, die Sponsorennamen bei Objekten (zum Beispiel Pferden) und Wettbewerben zu nennen. Brisantes fürwahr, Sprengstoff für das öffentlich-rechtliche System zumal, so daß Rüdiger Luding, der für das ZDF pokert, von einer „höchst kitzligen Situation“ spricht, über die er „absolutes Stillschweigen“ zu bewahren habe. Die Lage ist tatsächlich spannend, wenn auch nicht so geheimnisumwittert, wie Luding sie nach außen darstellt.

Zusammengefunden haben sich Leichtathleten, Handballer, Volleyballer, Turner, Tischtennis- und Hockeyspieler. Dieser sich telegen wähnende Sechser-Pack hat die Frankfurter Vermarktungsagentur Birkholz&Jedlicki beauftragt, Verhandlungen zu führen, Angebote einzuholen und Verträge unterschriftsreif zu machen. Die endgültige Entscheidung darüber haben sich die Verbände vorbehalten, bis Ende März soll sie getroffen sein, wobei sich jede der Organisationen vorbehält, im Zweifel auch Einzelkontrakte abzuschließen. Die Meßlatte für Birkholz liegt hoch. Zehn Millionen Mark im Jahr will der Sechserblock für seine TV-Rechte haben, diese Zahlen bestätigen sowohl Roland Mader als auch der Tischtennis-Präsident und Opel-Manager Hans-Wilhelm Gäb.

Eine exorbitante Ziffer, wenn man bedenkt, daß der gesamte Globalvertrag, der 38 Verbände inklusive Tennis und Reiten umfaßte, in diesem Jahr noch für 8,5 Millionen Mark zu haben war. Doch selbst mit dieser Summe, sagt der Vizepräsident des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) und adidas -Repräsentant Werner von Moltke, „sind wir noch Waisenknaben“. Im übrigen sei „nicht das Geld das Problem, sondern die Sendezeiten“.

Womit der Knackpunkt der Verhandlungen angesprochen ist. Die Sportverbände wollen unisono Sendegarantien haben, um ihre Sponsoren befriedigen zu können, oder, wie der Sechser -Sprecher von Moltke meint, um „Planungssicherheit“ zu bekommen. Für die Funkhäuser heißt dies nichts anderes, als daß sie vertraglich festlegen sollen, wie, wann und in welchem Umfang sie was ausstrahlen wollen.

Orientiert haben sich die Verbände an Ion Tiriac, der es geschafft hat, nicht nur SAT1 (im Falle von Flushing Meadow), sondern auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf Sendeumfänge zu verpflichten. Der Vierjahresvertrag des Deutschen Tennisbundes (DTB), für den ARD/ZDF über 30 Millionen Mark bezahlt haben, sieht nun genau vor, welches Turnier von welchem Zeitpunkt an übertragen wird. Geregelt ist dies in einem Appendix, den die ARD-Juristen schamhaft, aber angeblich wasserdicht, dem DTB-Vertrag angehängt haben.

Im Rennen um die heilsbringenden Einschaltquoten sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten offensichtlich zu weiteren Zugeständnissen bereit. Eine Juristenkommission beim „Ersten“ prüft derzeit einen Vertragsentwurf der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (DRV), die festgeklopft wissen will, daß sowohl die Namen ihrer edlen Rösser (zum Beispiel „Jägermeister“) und ihrer Wettbewerbe („Tschibo-Kaffee -Preis“) reportiert werden. Vorbei die Zeiten der kostenlosen Schleichwerbung, jetzt wird ehrlich Reklame gemacht - und dafür ordentlich bezahlt, von dem, der eigentlich nichts davon hat.

„Das wird kommen“, kündigt der TV-Sportchef des Süddeutschen Rundfunks Gerhard Meier-Röhn an, der sein Haus zum Sportsender Nummer eins in der ARD erblühen lassen will, „genauso wie ich das Weißenhof-Turnier jetzt als Mercedes -Cup und das Filderstadt-Turnier als Porsche-Cup benennen werde.“

Der öffentlich-rechtliche Kotau vor dem Sport erscheint in einem seltsamen Licht, wenn man sich die Reaktionen der Konkurrenz einholt. Bei RTLplus präsentiert sich ein „ganz gelassener“ Helmut Thoma, der „in aller Ruhe“ abwarten will, was die Sportverbände zu offerieren haben. Eins könne er ihnen freilich jetzt schon versichern: „Das große Geld ist nicht zu erlösen“, im Gegenteil, „große Ernüchterung wird sich breitmachen“. Der private Programmdirektor hat die Sportsfreunde ohnehin mit seiner Einfachphilosophie („Mich interessieren nur vier Sportarten: erstens Fußball, zweitens Fußball, drittens Fußball und viertens Tennis“) erschreckt, wonach Roland Mader jeden Tag bei Thoma als „verlorenen Tag“ empfindet.

Helmut Thoma wirft noch einen anderen Aspekt in die Debatte: die Kurzberichterstattung. Wenn die Ministerpräsidenten am 15. März tatsächlich der kostenfreien 90-Sekundenregelung zustimmen, so der RTL-Mann, „dann müssen die Verbände froh sein, wenn sie überhaupt noch Geld kriegen“. Aus diesem Grund hat sich auch der Deutsche Fußballbund (DFB) flugs in die gegnerische Front eingereiht, die eine „Enteignung des Sports“ (Mader) befürchtet. Jedes Zweitligaspiel sei in eineinhalb Minuten ausreichend behandelt, ohne daß dem TV-Zuschauer Wesentliches entgangen wäre.

Josef-Otto Freudenreich