„Gott wird sie bestrafen“

■ Silvia Uturbia kennt die Folter in Pisagua aus eigener Erfahrung

Früh morgens haben sie uns rausgeholt. Auf einem Militärlaster wurden wir nach Pisagua gebracht. Wir mußten uns auf den Boden legen, damit uns niemand sehen konnte. Wir waren 26 Frauen, die nach Pisagua kamen. Wir wurden alle wie Gefangene eines Konzentrationslagers behandelt, egal ob Frauen oder Männer.

Eines Nachts stülpten sie mir eine Kapuze über, Arme und Beine wurden mir gefesselt. Dann rasten sie mit einem Jeep auf mich zu und bremsten erst ganz knapp vor mir. Die stanken richtig nach Alkohol, so besoffen waren sie. Da hätte ihnen doch jeden Moment der Jeep außer Kontrolle geraten können.

Dann führten sie mich zu einer simulierten Erschießung. Unter meiner Kapuze habe ich die Kommandos gehört: Anlegen, Feuer! Und dann hat mir jemand einen Kugelschreiber oder sonst etwas Spitzes in die Brust gestochen. Ich habe den Atem des Mannes neben mir gespürt.

Damals war ich 22 Jahre alt, ich konnte das einigermaßen aushalten. Aber als ich nach sechs Wochen wieder entlassen wurde, war ich für den Rest meines Lebens gezeichnet.

Mit der Entlassung war es noch nicht vorbei. Sie haben mich von der Universität geschmissen. Erst nach fünf Jahren und mit vielen, vielen Problemen habe ich es geschafft, wieder aufgenommen zu werden. Die ganze Zeit über wurde ich immer wieder festgenommen, unter Hausarrest gestellt, und sie haben mich auch wieder unter die Kapuze gesteckt, Arme auf dem Rücken, das gleiche wie im Lager.

Natürlich habe ich bisher keine Anzeige gegen die Verantwortlichen erstattet. Wo hätte ich das denn tun sollen, die hatten ja alle Institutionen unter Kontrolle. Aber wenn es jetzt mit der Demokratie wirklich eine Liberalisierung gibt, dann werde ich meinen Fall vortragen. Es geht mir nicht um Rache. Mit der Zeit habe ich mich von all diesen Gefühlen der Wut, der Ohnmacht und der Angst befreit. Rache will ich nicht, Gerechtigkeit aber wohl.

Was am Ende aus den Nachforschungen wird, ich weiß es nicht. Es wird wohl kaum möglich sein, daß alle, die in Pisagua so brutal gefoltert haben, eine gerechte Strafe bekommen. Ich bin katholisch; ich glaube, daß Gott sich dieser Leute annehmen wird, und daß jeder von ihnen seine Strafe bekommen wird, allerdings mehr im moralischen Sinne. Ein Mensch, der gefoltert hat, der Gefangene standrechtlich erschossen hat, der Frauen mißhandelt hat, ich glaube nicht, daß der jemals wieder in Frieden leben wird.

Dirk Asendorpf