Ein Wiedersehen mit Freunden und Feinden

Drei Jahre nach seiner Reise als Anwalt der Menschenrechte war Norbert Blüm wieder in Chile  ■  Aus Santiago Walter Jakobs

Norbert Blüm frohlockte: „Die sind heute die Mächtigen, mit denen ich damals konspiriert habe.“ Viele Gäste beim Empfang der deutschen Botschaft anläßlich der Feiern zur Amtsübernahme von Präsident Aylwyn waren weniger begeistert. Seit seinem Auftritt vor drei Jahren, als der Arbeitsminister viele PolitikerInnen und politische Gefangene in Chile besucht und Pinochet aufgefordert hatte, Schluß zu machen mit der Folter, gilt Blüm für so manche der weitgehend reaktionären deutschen Kolonie als Krypto -Kommunist.

Blüm traf einige der vom Pinochet-Regime verfolgten ChilenInnen wieder, die er 1987 besucht hatte. So Carmen Gloria Quintana, die von den Schergen Pinochets zusammen mit ihrem Freund mit Benzin übergossen und angesteckt worden war; ebenso die deutsch-chilenische Lehrerin Beatriz Brinkmann, die 1986 von der Geheimpolizei verhaftet und gefoltert worden war. Frau Brinkmann, die 1987 in die Bundesrepublik freigekommen war, ist Anfang des Jahres nach Santiago zurückgekehrt, wo sie politische Gefangene und Folteropfer betreut. Blüms letzter Auftritt in Chile habe, so die engagierte linke Menschenrechtsverfechterin, den Gefangenen „moralisch den Rücken gestärkt“. Jetzt, so appellierten die beiden Frauen an den Arbeitsminister, gehe es darum, das gleiche Engagement für die verbliebenen 400 politischen Gefangenen und die Aufklärung der von den Militärs begangenen Verbrechen zu zeigen. Auf diese Bitte reagierte Norbert Blüm mit Verweis auf Aylwyn: „Ich bin ganz sicher, daß die Demokraten das Problem lösen werden.“

Die Antwort des neuen Präsidenten, die dieser während der ebenso ausgelassenen wie nachdenklichen Großkundgebung im Nationalstadion am Montag den Opfern der Diktatur gab, befriedigt aber längst nicht alle ChilenInnen. Inzwischen sind 40 der 400 politischen Gefangenen freigelassen worden, in den nächsten Tagen sollen, so Aylwin, „weitere folgen“. Zu einer Amnestie des Großteils der politischen Gefangenen ist die neue Staatsmacht jedoch nicht bereit - oder wird von den Militärs daran gehindert.

Im Nationalstadion ließ das Pinochet-Regime nach dem Putsch gegen Allende Zehntausende internieren. In diesem Stadion war Victor Jara ermordet worden, dessen Musik am Montag zum Auftakt der Feierlichkeiten aus den Lautsprechern erklang.

Als etliche der 80.000 ZuhörerInnen beginnen, die Fotos von ermordeten und verschleppten Angehörigen hochzuhalten, wird es zunächst ganz still im weiten Stadionrund. Erst leise, dann immer lauter schreien sich Zehntausende von Menschen ihre Erleichterung von der Seele: „Pinochet, es ist Schluß, es ist aus!“