Schnur bleibt dabei: Schweigen ist Gold

■ Auch nach erster Akteneinsicht keine Klarheit über die Stasi-Vorwürfe gegen den „Aufbruch„-Vorsitzenden

Berlin (taz) - Auch nach einer ersten Einsicht in die Akten der Staatssicherheit sind die Vorwürfe gegen den Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, er sei bezahlter Informant der Stasi gewesen, nicht ausgeräumt. Drei Stunden lang hatten Minister Rainer Eppelmann und der Anwalt Schnurs am Montag mit einer Sondergenehmigung der Generalstaatsanwaltschaft die geheimen Unterlagen über den DA-Vorsitzenden durchgestöbert. Welcher Art diese Akten waren, darüber hüllte sich Eppelmann auch auf Nachfragen von Journalisten in Schweigen. Eppelmann wörtlich: „Über den Inhalt der Akten darf ich keine Auskunft geben. Das kann nur Rechtsanwalt Schnur“. Der jedoch sprach vom Krankenbett aus nur einen Satz: „Ich habe zu keiner Zeit für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet.“

Der Vorsitzende der AG-Sicherheit des Runden Tisches, Werner Fischer, erklärte dagegen gegenüber der 'Frankfurter Rundschau‘, man sei bei der Durchsicht der Akten über Schnur „massenweise fündig“ geworden. Der DA-Vorsitzende tauche darin mehrfach als inoffizieller Stasi-Mitarbeiter auf. Allerdings müsse erst die Echtheit dieser Dokumente überprüft werden.

Eppelmann hingegen verweigerte auf einer Pressekonferenz vor der zentralen Wahlveranstaltung des Demokratischen Aufbruchs in der Berliner Kongreßhalle am Montag jegliche Auskunft darüber, ob Schnur in den eingesehen Berliner Akten als Beobachtungsobjekt der Stasi auftauchte oder als Informant. Darüber, so Eppelmann, könne er nur mit Erlaubnis Schnurs Auskunft geben. Diese Genehmigung habe ihm Schnur jedoch nicht erteilt.

Erst auf Nachfragen von Journalisten räumte Eppelmann ein, daß die Akten, die man bisher zum Fall Schnur eingesehen hat, nur die Nebenakten waren. Die Hauptakten Schnurs lagern in seinem Heimatort Rostock und sollten gestern dem Anwalt Schnurs vorgelegt werden. Doch auch diese Akteneinsicht wird kaum Licht in die Affäre bringen, denn auch die dortigen Dokumente müßten erst kriminaltechnisch auf ihre Echtheit geprüft werden, sodaß mit einem Ergebnis nicht vor den Wahlen zu rechnen ist.

Schnur ist nach Auskunft seines Freundes Rainer Eppelmann schwer erkrankt. Er sei knapp an einem Schlaganfall vorbeirutscht, habe „einen glasigen Blick“ und stehe unter starken Medikamenten. Alle Wahlkampfauftritte von ihm seien deshalb gestrichen. Auf die Frage, ob er Schnur einen Rücktritt von seinem Posten als Spitzenkandidat des DA nahelegen würde, antwortete Eppelmann: „Wolfgang Schnur ist sicher kein unumstrittener Mensch. Ich meine aber, er sollte weiter Vorsitzender des DA bleiben.“ Die innerparteilichen Solidaritätsbekundungen für Schnur hätten ihn zu dieser Einschätzung gebracht, nachdem er noch vor Tagen Schnur eher zu einer Beurlaubung von seinem Posten geraten hätte.

Für den DA-Generalsekretär Oswald Wutzke ist nach der Durchsicht der Akten, die er jedoch eingestandenermaßen gar nicht kennt, sicher, daß es sich bei den Vorwürfen um eine reine Schmutzkamapgne handelt. Verantwortlich für diese Kampagne seien die PDS und die Herren Gysi und Modrow. Von ihnen verlangte Wutzke eine öffentliche Entschuldigung. Schnur hat inzwischen angekündigt, daß er den 'Spiegel‘ wegen seiner jüngsten Veröffentlichung über ihn verklagen wird. Die Staatsanwaltschaft ermittelt außerdem gegen Unbekannt wegen Verleumdung Schnurs.

Vera Gaserow