Die Alliierten bitten zu Tisch

■ Nato-Mitgliedschaft des zukünftigen Deutschlands und Beteiligung Polens bleiben in Sechsergesprächen umstritten

Berlin (taz) - Heute beginnt in Bonn die erste Verhandlungsrunde zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier alliierten Siegermächten um die „äußeren Aspekte“ einer deutschen Vereinigung. Die heutige erste Runde der in Ottawa vereinbarten Zwei-plus-vier-Gespräche wird unter der Leitung der Politischen Direktoren der sechs Außenministerien im Bonner Auswärtigen Amt stattfinden. Nach wie vor ungeklärt ist, ob es tatsächlich bei der Zusammensetzung „zwei plus vier“ bleibt oder ob die polnische Regierung eine Gelegenheit zur Teilnahme erhält.

Nach Frankreich hat nun auch die britische Regierung erklärt, zumindest bei der Frage der polnischen Grenzen hätten „die Polen das Recht auf volle Teilnahme“. Wie das geschehen könne, so Außenminister Hurd in Bonn, sei eine „Schlüsselfrage“, die in den Vorgesprächen festgelegt werden müsse. Aufgabe der Außenamtsbeamten bei dem heutigen Treffen ist die Regelung von Verfahrensfragen. Zu der nach wie vor umstrittensten Frage, der Bündniszugehörigkeit des zukünftigen deutschen Staates, hat Nato-Generalsekretär Wörner die Sowjetunion aufgefordert, eine Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands in der Nato zu akzeptieren. Gorbatschow werde einsehen, daß daran kein Weg vorbeiführt. Demgegenüber hat Marschall Achromejew, militärischer Berater Gorbatschows, die sowjetische Auffassung bekräftigt, daß der sogenannte Genscher-Plan für die UdSSR nicht akzeptabel sei.

Unterdessen hat Bundeskanzler Kohl auf die wachsende Nervosität der europäischen Nachbarstaaten reagiert und gegenüber einer Reihe ausländischer Zeitungen behauptet, die entscheidende Phase der Vereinigung beider deutschen Staaten käme nicht vor 1991. In Bonn geht man davon aus, daß Polen an der Erörterung der Grenzprobleme beteiligt sein wird. „Polen darf nicht den Eindruck haben, es wird über seinen Kopf entschieden“, wird der Kanzler zitiert. Darüber hinaus hat Bundespräsident von Weizsäcker erneut versucht, die Ängste der europäischen Nachbarn zu dämpfen. Ein vereintes Deutschland wird nach Weizsäckers Auffassung keine Dominanz in Europa anstreben.

JG