Kommunalwahlkampf in München - vom Winde verweht

Vor den monumentalen Säulen auf dem Münchner Königsplatz liegt etwas armselig ein Haufen reichlich lädierter Plakatständer - obenauf ein dunkelblaues Wahlplakat der „Republikaner“. „Glauben Sie nicht den Presselügen, sondern unserer Ehrlichkeit“, wirbt die ehemalige SPDlerin Ingrid Schönhuber darauf. Als Münchner Oberbürgermeisterin hat die Frau des braun angehauchten Rep-Vorsitzenden freilich keine Chance. Daß aber die „Republikaner“ ins Münchner Rathaus einziehen werden, davon gehen in der weiß-blauen Landeshauptstadt selbst die Grünen aus. In SPD-Kreisen hofft man, daß sie wenigstens unter zehn Prozent bleiben. Zwar beherrscht Frau Schönhuber weniger die demagogische Art ihres Mannes Franz - brav liest sie auf einer Wahlveranstaltung in der betonierten Trabantenstadt Neuperlach ihr Programm vom Blatt. Trotzdem ist nach den sensationellen Wahlergebnissen der Reps bei der Europawahl das ultrarechte Protestpotential auf dem Vormarsch.

Insgesamt ist der Wahlkampf in München etwas fade. Wie der Orkan „Wiebke“ die Wahlplakate zusammenstauchte, so wirkt der Kommunalwahlkampf etwas vom Winde verweht. Im Gegensatz zu „Wiebke“ fehlt ihm aber die Power. Selbst der Versuch der Schwarzen, sich das Rathaus zurückzuerobern, läßt die Wahlkampfwogen nicht höher schlagen. Von einem Duell zwischen dem amtierenden SPD-Bürgermeister Kronawitter und dem Bonner Pistolero Jonny Klein kann schon gar keine Rede sein. Bei seinen Wahlkampfauftritten wirkt der alerte Pressesprecher der Bundesregierung mit seinem gepflegt zugestutzten Bart eher vornehm zurückhaltend.

Den Schwarzen stinkt es schon seit Anfang des Jahres, daß sie den Fehler begangen haben, den vielbeschäftigten jovialen Sudetendeutschen als Herausforderer an die Isarmetropole zu holen. „So einen Kandidaten hat München nicht verdient“, murrten sie intern. Die „Mehrzweckwaffe“, wie der selige F.J.S. ihn nannte, ist stumpf geworden obwohl der Rechtsaußen Sprüche klopfte, die jedem Rep zur Ehre gereichen würden. So etwa, als er die Waffen-SS als „kämp fende Truppe“ verharmloste oder vom „internationalen Judentum“ sprach. Viel lieber hätten die Parteifreunde jetzt doch auf den ehemaligen Aids-Ritter Peter Gauweiler zurückgegriffen. Aber dafür war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät. Und so wirkt die Überschrift auf den CSU-Wahlplakaten: „Der Neue für München“, fast wie Hohn. Selbstzufrieden kann Schorsch Kronawitter da nur frotzeln: „Wir beide wollen bleiben, was wir sind: er Minister, ich Oberbürgermeister.“

Listeninflation

Die Mühe, Papier zu strapazieren und ein Wahlprogramm vorzulegen - mit ihren 70 Seiten Papier sind die Sozis da ganz vorn -, hat man sich bei der CSU nicht gemacht. Ex-OB Erich Kiesl versäumt nie, bei Wahlveranstaltungen immer wieder hervorzuheben, daß „es unser Jonny in der Stichwahl ganz bestimmt packt“. Jonny freilich will vielleicht die Mühsal eines zweiten Urnengangs erst gar nicht über sich ergehen lassen; denn bei diesem stürmischen Sauwetter kann er wahrscheinlich nicht einmal - wie seinerzeit Kiesl - die abtrünnigen Skifahrer für seine Niederlage verantwortlich machen. Die grüne Rathausfraktion dagegen hofft auf eine Stichwahl. Grund: ein bißchen beuteln soll es den OB schon, damit er weniger großspurig mit seinen wechselnden Mehrheiten umspringt. Kronawitter verstand es jahrelang, im Dienste der Sache zwischen Rot-Grün und Schwarz-Rot zu pendeln. Schwierig wurde es erst, als sich das SPD-Paar Doris Henkel und Peter Kripp abspaltete und eine eigene Fraktion, die USD (Unabhängige Sozialdemokraten), gründete. Sie verhalfen den Schwarzen immer wieder zur „Gestaltungsmehrheit“ oder legten gleich alles lahm. Eine rot-grüne Zusammenarbeit war damit gestorben.

Diesmal existiert wahrlich eine Listeninflation. Insgesamt 18 Parteigruppierungen treten in diesem Rekordjahr erstmals an. Von Autobahngegnern, die eigentlich gar nicht in den Stadtrat, allenfalls in die Bezirksausschüsse wollen, bis hin zur Nichtraucherliste köchelt jeder sein eigenes Politsüppchen. Verstärkt zeigt sich ein Trend weg von den Parteien - Kommunalwahlen waren auch schon immer Persönlichkeitswahlen. Auch der ehemals grüne Stadtrat Gerd Wolter versucht da mit einer „Rosa Liste“ das endgültige Coming-out von Schwulen im Rathaus. Sauer sind die Grünen nach wie vor auf DaGG-Sprecher, Bernd Fricke. Wie ein kleiner Spaltpilz schoß „David gegen Goliath“ (DaGG) wenige Wochen vor der Wahl plötzlich aus dem Boden. Selbst der Großteil der Mitglieder der kurz nach Tschernobyl aus dem bürgerlichen Becquerel-Lager entstandenen Anti-WAA -Initiative wußte nichts von den Ambitionen ihres Sprechers. Möglicherweise war Fricke nach dem Aus der WAA einfach nicht mehr ausgelastet.

Am ehesten erwischt hat's jedoch die Jungs von der „Jungen Liste“: Der CSU-Nachwuchs wurde, vom Wahlausschuß als zweite CSU-Liste enttarnt, aus dem Rennen geworfen. Die Regierung von Oberbayern hat jedoch bereits angekündigt, daß sie deshalb die Wahl anfechten wird. Trotzdem darf spekuliert werden, ob die unzähligen Listen die Gefahr einer großen Koalition zwischen Rot und Schwarz heraufbeschwören. Diese „Elefantenhochzeit“ ist vorprogrammiert, falls die SPD unter 30 und die Grünen unter zehn Prozent kommen. Bei den vergangenen Wahlen erreichten die Sozis noch 41,9 und die Grünen 7,9 Prozent. Vorstellbar ist aber auch eine Konstellation Rot-Grün gegen Schwarz-Braun - vor allem, wenn der linke SPD-Flügel sich bei der Wahl durchsetzt und Kronawitter zwingt, mit den Grünen nicht nur zu einem rot -grünen Flirt anzubändeln. Daß die schwarzen Berührungsängste Richtung „Republikaner“ nicht so groß sind, hat ja bereits CSU-Stadtrat Gerhard Bletschacher zugegeben. Wer jedoch mehr esoterischen Prognosen anhängt, liegt bei Doris Henkel und ihrem Zugpferd, der Schauspielerin Cleo Kretschmer, richtig: Im Jahr des Drachen, so das chinesische Horoskop, rechnen sich die beiden Frauen nämlich große Chancen aus.

Luitgard Koch